interview

Grünen-Fraktionschef Hofreiter "Pofalla schon lange Bahn-Lobbyist"

Stand: 06.01.2014 17:41 Uhr

Schon in der Vergangenheit sei Ronald Pofalla als Bahn-Lobbyist im Kanzleramt aufgefallen, sagt Grünen-Fraktionschef Hofreiter im tagesschau.de-Interview über den Ex-Kanzleramtsminister. Die Querelen um dessen mögliche Berufung in den DB-Vorstand habe sich Bahnchef Grube zuzuschreiben.

tagesschau.de: Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla soll offenbar zusätzlicher Vorstand der Bahn werden. Braucht der Konzern denn überhaupt einen Cheflobbyisten?

Anton Hofreiter: Eigentlich nicht, denn in der Vergangenheit hatte die Bahn den ja schon geradezu im Kanzleramt sitzen. Da wirkte Pofallas Agieren schon teilweise so, als wäre er der Cheflobbyist des Konzerns DB AG - manchmal auch zu Lasten des Systems Schiene. Das lässt sich an einer Reihe von Beispielen belegen: Pofalla hat etwa Einfluss auf die EU-Gesetzgebung genommen, zu Gunsten der DB AG. Außerdem hat er Einfluss genommen auf das Eisenbahnregulierungsgesetz - da ging es um die Begrenzung von Preisen. Das wäre den Nutzern des Schienenverkehrs zu Gute gekommen. Und er hat massiven Einfluss genommen auf den Fall Stuttgart 21.

tagesschau.de: Für welche Bahnpolitik steht Pofalla Ihrer Meinung nach?

Hofreiter: Für eine Bahnpolitik, die die Interessen des Konzerns über die Interessen des Systems Schiene stellt.

Zur Person
Anton Hofreiter ist seit 2005 für die Grünen im Bundestag. Der promovierte Biologe war mehrere Jahre Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dabei setzte er sich für eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ein. Seit 2013 ist Hofreiter Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.

"Bahnpolitik ist seit Jahren Sache des Kanzleramts"

tagesschau.de: Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie denn als Vorsitzender des Verkehrsausschusses mit Pofalla gemacht?

Hofreiter: Auf bestimmten Gebieten waren einigermaßen vernünftige Lösungen denkbar, bis das Kanzleramt interveniert hat. Auf Nachfrage hieß es: Herr Pofalla hat aus Eigenantrieb, aber teilweise auch im Interesse von Frau Merkel eingegriffen. Das war etwa beim vierten Eisenbahnpaket so (Anm. d. Red.: EU-Initiative zur Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs). Diese gesetzliche Regelung auf EU-Ebene hätte eine stärkere Transparenz und Kostenklarheit bewirkt.

tagesschau.de: Wenn lange spekuliert wird, gelten Kandidaten oft als verbrannt. Denken Sie, dass dieses Schicksal auch Pofalla droht?

Hofreiter: Ich hoffe, dass er sein Amt nicht antritt. Ob es einen Cheflobbyisten Pofalla aber tatsächlich geben wird, hängt von der Bundeskanzlerin und davon ab, für wie groß sie ihren persönlichen Schaden hält, wenn Pofalla den Posten antreten würde.

"Grube und Pofalla sind enge Verbündete"

tagesschau.de: Jenseits der Politik gibt es aber noch einen Bahnchef Rüdiger Grube, der Pofalla offensichtlich ebenfalls gerne im Vorstand hätte.

Hofreiter: Grube und Pofalla waren immer sehr enge Verbündete. Dass Grube in seine Pläne nicht den gesamten Aufsichtsrat eingebunden hat, passt zu seiner bisherigen Kommunikationsstrategie. Denn unter dem Vorsitzenden Utz Hellmuth Felcht hat der Aufsichtsrat relativ wenig zu sagen. Entscheidende Fragen werden zwischen Kanzleramt und Bahnvorstand direkt ausgehandelt.

tagesschau.de: Felcht hat mitgeteilt, dass bislang noch nicht über diese Personalie gesprochen wurde. Aus Bahnkreisen dringt dagegen nach außen, dass der Name Pofalla schon länger durch die Gänge geistert. Was halten Sie für wahrscheinlicher?

Hofreiter: Das Thema wird sicherlich seit Monaten intern diskutiert. Aber die Äußerung passt zu Herrn Felcht. In der Vergangenheit hat er sich oft als derjenige dargestellt, der "von nichts wusste" oder "nicht offiziell informiert wurde".

tagesschau.de: Für den Aufgabenbereich, der jetzt an Pofalla übertragen werden soll, ist bislang Grube selbst verantwortlich. Wäre eine Berufung Pofallas nicht ein Eingeständnis der Schwäche?

Hofreiter: Ich würde das eher so deuten, dass Grube einem treuen Verbündeten eine Belohnung zukommen lassen will. Inhaltliche Gründe sehe ich weniger. Wenn nun mitgeteilt wird, dass der Cheflobbyist als Puffer gegen Bürgermeister oder Ministerpräsidenten dienen solle, geht das am Kern vorbei. Denn deren Einflussnahme erfolgt wiederum über andere Wege.

"Aufsichtsrat quasi entmachtet"

tagesschau.de: Welche Interessenslagen gibt es denn im 20-köpfigen Aufsichtsrat der Bahn?

Hofreiter: Die Interessenslage im Aufsichtsrat ist sehr unterschiedlich. Einerseits gibt es die Bahngewerkschaft, die als relativ "Grube-nah" gilt. Andererseits die Vertreter des Bundes, die zu privaten Unternehmen gehören. Diese Gruppe agiert eher desinteressiert.

tagesschau.de: Dennoch wird die Personalie Pofalla auch aus dem Aufsichtsrat kommentiert. Der Gewerkschaftsvertreter Klaus Dieter Hommel hat sich skeptisch geäußert.

Hofreiter: Natürlich lässt das die Bahn AG nicht gut aussehen. Aber es scheint so, als wäre das auch eine Art Rache einiger Aufsichtsräte. Weil sie quasi entmachtet wurden und Entscheidungen zwischen Grube und dem Kanzleramt ausgehandelt werden.

tagesschau.de: Wie müsste sich der Verkehrsausschuss denn in Zukunft verhalten, wenn Pofalla zur Bahn wechseln würde?

Hofreiter: Er sollte sehr kritisch nachfragen und sich dafür einsetzen, dass der Bundestag mehr Informationsrechte über die Vorgänge bei der Bahn bekommt. Nur so kann das intransparente Geklüngel zwischen Bahnvorstand und Kanzleramt beendet werden.

Das Interview führte Florian Pretz, tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 06. Januar 2014 um 17:00 Uhr.