Energiekrise und Zinswende Vom Ende des Immobilien-Booms
Inflation, steigende Bauzinsen, Krieg und Energiekrise lassen die Immobilienpreise fallen. Denn die Nachfrage gerade nach energetisch schlechten Wohnungen und Häuser ist eingebrochen. 13 Jahre Boom sind vorbei - mit ungeahnten Folgen.
Häuser sind für Normalverdiener nicht mehr finanzierbar. Ines und Andreas Bauer leben beengt mit ihren zwei kleinen Kindern und einem Hund in einer Dreizimmerwohnung zur Miete in Höhenkirchen bei München. Sie müssen sich dringend vergrößern, wollten eigentlich ein eigenes Haus, doch die von einem auf gut drei Prozent gestiegenen Bauzinsen machen eine Finanzierung einfach zu teuer. Sie wollen jetzt mieten, und da hatten sie schon eine konkrete Zusage. Doch das Haus hat eine Ölheizung. Das brachte die Bauers zum Nachdenken. Letztendlich haben sie das Angebot verworfen, weil sie nicht abschätzen konnten, wie sich die Heizkosten entwickeln und damit die Nebenkosten ihr monatliches Budget übersteigen würden.
Die Preise kommen ins Rutschen
Energiekrise und gestiegene Zinsen spürt auch Makler Ralf Heidemann. Kaufinteressierte seien zurückhaltend. In München vermittelt er derzeit Reihenhäuser. Hochwertig gebaut, je 169 Quadratmeter Wohnfläche, Preis 2,3 Millionen Euro pro Haus. Vier hat er vor dem Ukraine-Krieg bereits verkaufen können. Bei den verbleibenden zwei wird es wohl schwierig, den Preis zu halten. Er beobachtet derzeit in Teilbereichen einen Preisrückgang von bis zu zehn Prozent. Die schlechten Nachrichten würden nicht abreißen. Nach Corona und Ukraine-Krieg seien es nun die gestiegenen Bauzinsen.
Und es hat sich noch etwas geändert bei Heidemanns Kunden: Energieeffizienz ist inzwischen ein großes Thema. Bis vor kurzem hätte das noch niemanden interessiert. Aber seit Beginn der Energiekrise stellt er ganz klar fest, dass Objekte aus den 1970er- oder 1980er-Jahren, die schlechte energetische Kennwerte haben, deutlich weniger nachgefragt werden. Und das drücke auch auf den Preis.
Trotz Preisabschlägen sieht Immobilienexperte Professor Steffen Sebastian von der Universität Regensburg aber noch nicht, dass ungedämmte Immobilien schon zu Ladenhüter werden. Sollte es doch dazu kommen, sei das Problem ja lösbar, da eine energetische Sanierung immer möglich sei. Problematisch werde es allerdings dort, wo Immobilien selbst nicht mehr werthaltig sind, gerade in ländlichen und strukturschwachen Gebieten.
Der Umsatz mit Immobilien in Deutschland wird einer Studie zufolge dieses Jahr erstmals seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 sinken. Nach einem Rekordjahr 2021 hätten sich die Bedingungen am Markt gedreht, heißt es in einer Analyse des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung.
Danach dürfte der Umsatz mit Wohnungen, Häusern, Gewerbeimmobilien und Grundstücken dieses Jahr um sieben Prozent auf 313,5 Milliarden Euro fallen und die Zahl der Käufe auf unter 900 000 sinken. Der Umsatz mit Wohnungen und Häusern werde wohl um 5,6 Prozent auf knapp 240 Milliarden Euro sinken. Auf Basis der Daten für das erste Halbjahr erwarte man 2022 "erstmals seit 2009 wieder einen Rückgang des Geldumsatzes am deutschen Immobilienmarkt", so die Experten. Für die Studie hat Gewos Daten zu abgeschlossenen Grundstückkaufverträgen bei den Gutachterausschüssen und die damit verbundenen Umsätze analysiert.
Gesamte Branche unter Druck
Steigende Zinsen und Baukosten bringen Teile der Branche in Nöte. Christian Taufenbach, Chef des Architekturbüros Element A mit Büros in München und Heidelberg, kämpft mit steigenden Preisen. Besonders das Baumaterial wird deutlich teurer. Der Holzpreis zum Beispiel zog zeitweise um 300 Prozent an. Baustahl fehlt, weil das Stahlwerk in Mariupol zerbombt wurde, eines der größten Europas. Im Schnitt haben sich die Baukosten bei seinen Projekten seit der Planung um 20 bis 25 Prozent erhöht. Eine seriöse Kalkulation sei kaum noch möglich.
"Wie sollst du auf der Basis was anbieten? Das geht nur über Preisgleitklauseln, die jetzt inzwischen auch nachher angefragt werden", so Taufenbach. "Die Firmen kommen zu uns und sagen, könnt ihr bitte noch mal was nachlegen, wir haben hier zwar Verträge miteinander unterschrieben, aber wir kommen damit nicht mehr klar. Das versteht ihr ja wohl, ihr wisst auch warum. Alle verstehen es, aber niemand will das natürlich dann zahlen."
Und nun kommen zu den explodierenden Baukosten noch die rasant gestiegenen Zinsen. Einige Bauherren kapitulieren. Ein Großprojekt, das etwa 40 Prozent von Taufenbachs Jahresumsatzes ausgemacht hätte, wurde kurzfristig storniert. Konsequenzen sei, dass er Personal abbauen müsse, es gehe nicht anders. Er müsse vorsichtig bleiben, solange bis neue Projekte kommen.
Projekte für bezahlbaren Wohnraum platzen
Michael Marek ist ein Bauherr, der aufgegeben hat. Er ist vom Miethäusersyndikat in München, einer Art Genossenschaft auf Vereinsbasis. Er bekam ein 1200 Quadratmeter großes Gelände auf einer ehemaligen Kaserne zu günstigen Konditionen von der Stadt München - mit der Auflage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Voraussetzung: gedeckelte Mieten. 51 Wohnungen sollten entstehen. Doch wegen steigender Zinsen und Baukosten sowie der von der Ampel-Regierung eingestellten Neubauförderung rechnete es sich nicht mehr. Er musste das Projekt einstellen.
"Mit Bezug des Gebäudes hätten wir eine Unterdeckung von 200.000 Euro gehabt, was in der Folge bedeutet hätte, dass wir es nur mit Mieten in Höhe von rund 20 Euro pro Quadratmeter hätten kompensieren können - im Vergleich zu den geplanten rund 10,50 Euro", sagt Marek. Die Stadt München hat in der Nähe noch drei Grundstücke für insgesamt 500 Wohnungen ausgeschrieben, es gingen gerade mal vier Bewerbungen ein. Weitere Ausschreibungen hat die Stadt wegen der schwierigen Rahmenbedingungen inzwischen auf 2023 verschoben.
Weniger Neubau bedeutet auch steigende Mieten
Das ifo-Institut hat das Phänomen in Zahlen gefasst: Die Stornierungen im Wohnungsbau sind bis September stark gestiegen, etwa jedes achte Projekt wird derzeit eingestellt. Immobilienexperte Sebastian von der Universität Regensburg rechnet damit, dass gerade in den Ballungszentren die Mietpreise deshalb weiter ansteigen werden. Und das werde insbesondere Auswirkungen haben auf diejenigen, die es jetzt schon sehr schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Bezahlbaren Wohnraum zu produzieren werde noch schwieriger. Es rechne sich nicht mehr, bilanziert auch der Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft. Die notwendigen Nettokaltmieten im Neubau müssten wegen höheren Zinsen und Baukosten eigentlich von durchschnittlich 10,62 Euro auf 16,87 Euro steigen - kaum durchsetzbar.
Für Familie Bauer bedeutet das: Auch wenn sie nun wegen der gestiegenen Bauzinsen nicht mehr kaufen sondern mieten wollen, müssen sie wohl tiefer in die Tasche greifen.