Interview zu Inflationsängsten "Staatsanleihenkäufe sind der richtige Weg"
Die Furcht vor Inflation wächst. Vor allem seit die EZB angekündigt hat, Staatsanleihen von Krisenländern im Notfall unbegrenzt zu kaufen. Diese Gefahr sei begrenzt, meint Volkswirt Folker Hellmeyer im Gespräch mit tagesschau.de. Dennoch werde der Inflationsdruck zunehmen.
tagesschau.de: Eine Inflation von zwei Prozent gilt als Grenzwert, den die Europäische Zentralbank als vertretbar ansieht. Im vergangenen Monat lag sie lag im Euroraum bei 2,6 Prozent, in Deutschland bei zwei Prozent. Wird das erst mal so bleiben?
Folker Hellmeyer: Ich gehe davon aus, dass es dabei bleiben wird. Sofern es in der Eurozone nicht zu einer Systemkrise kommt, wird uns das Thema Inflation mittel- und langfristig weiter beschäftigen. Wir haben gesehen, dass sogar bei einer Abschwächung der Weltkonjunktur in den vergangenen sechs bis neun Monaten die Preisinflation nicht nachhaltig unter diese Zwei-Prozent-Marke zurückkommt.
Vor dem Hintergrund, dass jetzt in der Politik der Eurozone Akzente gesetzt worden sind, die eine nachhaltige Chance bieten, dass die Intensität der Euro-Defizitkrise zurückgeht, wird mehr Wachstum auf die Agenda kommen und von daher der Inflationsdruck hoch bleiben. Und in der Tendenz sogar zunehmen.
Die Politik wird die Eurozone nicht zerfallen lassen
tagesschau.de: Sehen Sie trotzdem die Gefahr einer Systemkrise, wie Sie es genannt haben?
Hellmeyer: Ich sehe das Risiko einer Systemkrise bei 20 Prozent. Fakt ist aber, dass die Politik sich in den vergangenen zwölf Monaten neu aufgestellt hat und ganz klar erkennbar ist, dass man die Eurozone nicht zerfallen lassen wird. Man wird die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um einer unangemessenen Spekulation entgegenzuwirken, die die markanten Reformerfolge nicht würdigt.
tagesschau.de: Sie halten den Ankauf von Staatsanleihen also für den richtigen Weg?
Hellmeyer: Ich halte diese Maßnahmen für den absolut richtigen Weg. Wir müssen dieser Spekulation entgegentreten. Und da muss auch das Charaktermerkmal einer unlimitierten Intervention vorhanden sein. Aber unter Umständen reicht sogar die Drohung. Ich erwarte, dass wir diese Programme gar nicht voll ausfahren müssen. Und darüber hinaus möchte ich betonen: Die Inflationsgefahr ist hier begrenzt, weil die EZB bisher auch immer wieder diese Überschussliquidität eingesammelt hat.
Die Inflation der 80er-Jahre kommt zurück
tagesschau.de: Welche zusätzlichen Faktoren könnten die Inflationsgefahr schüren?
Hellmeyer: Ich denke, neben der Liquidität, die international vergeben wird, gibt es einen ganz wesentlichen Punkt, der bislang vernachlässigt worden ist: Der Grund für die geringe Inflation der vergangenen 15 bis 20 Jahre war, dass die Schwellenländer nach dem Fall des Kommunismus investitionsfähig geworden sind und es ein Überangebot an den Produktionsfaktoren Arbeit und Boden gab. Dieses leicht zu erschließende Potential ist abgearbeitet.
Mittlerweile haben wir in China 45 Prozent Lohnsteigerungen seit 2010. Damit kommt die Inflation der 80er-Jahre wieder auf die Agenda. Zusätzlich gibt es da noch die Gefahr einer Überliquidität. Insbesondere aus Amerika, Japan, Großbritannien, die zusätzliche inflationäre Akzente setzen könnten. Das Thema Inflation steht auf der Agenda.
Das Gespräch führte Michail Paweletz, tagesschau24