Interview

Diskussion um Konjunkturpaket III "Krisenzeiten werden ausgenutzt"

Stand: 22.04.2009 01:07 Uhr

Was bringen die Konjunkturpaktete I und II? Dies ist eine zentrale Frage auf dem Konjunkturgipfel im Bundeskanzleramt. tagesschau.de fragte Experten nach ihrer Bilanz der Programme. Der Volkswirtschaftler Kai Konrad macht aus seiner Ablehnung keinen Hehl.

Was bringen die Konjunkturpaktete I und II? Dies ist eine zentrale Frage auf dem Konjunkturgipfel im Bundeskanzleramt. tagesschau.de fragte Experten nach ihrer Bilanz der Programme. Der Volkswirtschaftler Kai Konrad macht aus seiner Ablehnung keinen Hehl.

tagesschau.de: Wie wirken Ihrer Meinung nach bisher die Konjunkturpakete I und II?

Kai Konrad: In die beiden Pakete fließt sehr viel öffentliches Geld. Ich hoffe, dass sie Positives bewirken. Ich mache aber kein Hehl daraus, dass ich ein Skeptiker bin, was den möglichen konjunkturellen Erfolg und das Kosten-Nutzen-Verhältnis solcher Maßnahmen angeht.

tagesschau.de: Ist es überhaupt möglich, die Wirkung der Pakete jetzt schon seriös zu beurteilen?

Konrad: Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben in den Wirtschaftswissenschaften, die Wirkung von Konjunkturprogrammen überhaupt zu beurteilen. Die Zunft ist so zerstritten, was diese Frage angeht, wie in kaum einer anderen Frage. Tatsächlich ist ja schwer zu sagen, wie die Welt ausgesehen hätte, wenn die Konjunkturprogramme größer oder kleiner oder überhaupt anders ausgefallen wären. Wir haben eine Weltwirtschaftskrise und Deutschland leidet besonders im Exportbereich. Deshalb ist meine persönliche Einschätzung, dass die deutschen Programme nicht sehr hilfreich waren. 

tagesschau.de: Welche Impulse erwarten Sie sich noch von den Konjunkturpaketen I und II?

Zur Person

Kai Konrad ist Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München und Forschungsprofessor des Forschungsprojektes "The Future of Fiscal Federalism" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Konrad: Der offensichtlichste Impuls dieser Maßnahmen wurde natürlich durch die Abwrackprämie ausgelöst. An diesem Beispiel zeigt sich das ganze Dilemma der Konjunkturpolitik. Da, wo Konjunkturpolitik wirkt, führt sie oft zu Überhitzung. Gleichzeitig entzieht sie Kaufkraft aus anderen Bereichen. Die Prämie hat Verwerfungen in der gesamten Automobilwirtschaft verursacht, die wir noch jahrelang spüren werden. Für Kleinstwagen im Alter von ein bis drei Jahren wird der Markt völlig übersättigt sein. Die Besitzer solcher Fahrzeuge können sich auf einen erheblichen Wertverlust gefasst machen. Gebrauchtwagen zu Preisen unter 3000 Euro hingegen werden in den kommenden Jahren knapp sein und im Wert steigen. Und die Reparaturbetriebe klagen schon jetzt über Umsatzeinbußen. Sollte die Abwrackprämie auch noch zum "Exportschlager" werden, und es sieht ja danach aus, dann hat sie negative Auswirkungen auf die Produktionsstruktur in der weltweiten Automobilindustrie. Notwendige Kapazitätsanpassungen werden verschoben und die Branche muss sich auf erhebliche Nachfrageschwankungen einstellen. 

tagesschau.de: Wie nachhaltig ist die Wirkung der beiden Konjunkturpakete?

Konrad: Ziel von Konjunkturpolitik ist es ja nicht, ein nachhaltiges Wachstum zu befördern, sondern die Wirtschaft aus einem zeitweiligen Jammertal zu befreien. Sollte das gelingen, nun gut. Tatsächlich haben sich in die "Konjunkturprogramme" Maßnahmen eingeschlichen, die auf Dauer angelegt sind. Beispielsweise der teilweise Einstieg in die steuerfinanzierte Krankenversicherung. Interessengruppen nutzen Krisenzeiten eben, um ihre Politikziele durchzusetzen, ob diese viel mit Konjunkturpolitik zu tun haben oder nicht. Gerade in der Krise müssen die Politik und die Öffentlichkeit besonders wachsam sein und entsprechende Fehlentwicklungen verhindern.

tagesschau.de: Braucht es Ihrer Meinung nach ein drittes Konjunkturpaket? Und wenn ja, welche Branchen sollten davon besonders profitieren?

Konrad: Es ist zu befürchten, dass die Politik in Zeiten des Wahlkampfes noch einige Füllhörner über die eine oder andere Branche oder Interessengruppe ausschütten wird. Das mag unter dem Label "Konjunkturprogramm" erfolgen. Gut ist das nicht. Denn die öffentlichen Haushalte bauen derzeit ohnehin eine bedrohliche Verschuldung auf. Das gilt für Deutschland, und noch mehr für einige europäische Länder, sogar für einige Mitglieder der Eurozone. Und natürlich für die USA. Die Bonität einiger Länder hat sich bereits verschlechtert. Währungsreformen, Staatsinsolvenzen oder  massive Rettungsaktionen, innerhalb der Eurozone oder seitens des IWF, gehören zu den möglichen Schreckensszenarien. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Der weitere Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise wird darüber entscheiden. Dass man diesen Verlauf mit einem dritten deutschen Konjunkturprogramm entscheidend verändern kann, daran glaube ich nicht.

Die Fragen stellte Niels Nagel, tagesschau.de, per E-Mail