Interview mit Greenpeace-Experte Lohbeck "Elektroautos als grünes Deckmäntelchen"
Wenn es nach der Regierung geht, sollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen rollen. Diesen staatlich geförderten "Elektro-Hype" kritisiert der Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck. Im Interview mit tagesschau.de erklärt er, warum E-Autos und Umweltschutz nicht zusammenpassen.
tagesschau.de: Die Bundesregierung will den Ausbau der Elektromobilität in den beiden nächsten Jahren mit einer Milliarde Euro unterstützen. Als Umweltverband müssen Sie jetzt doch vor Freude in die Hände klatschen?
Wolfgang Lohbeck: Nein, ganz im Gegenteil. Zwar wird die Elektromobilität ja gerne mit Klimaschutz, Reduzierung von CO2-Ausstoß und "Weg vom Öl!" begründet - aber im Grunde genommen ist das Ganze doch ein nur ein großer "Elektro-Hype". Mehr nicht.
tagesschau.de: Wieso das?
Lohbeck: Weil das Elektroauto genauso wie eine Kaffeemaschine Strom braucht. Sie hängen es an die Steckdose und "tanken" einen Strom, der beim aktuellen Kraftwerkmix zu mehr als 40 Prozent aus der Verbrennung von Braun- oder Steinkohle gewonnen wird. Dabei wird natürlich auch viel CO2 emittiert. Letztendlich verursacht das Elektroauto so einen sehr viel höheren CO2-Ausstoß als ein vergleichbares konventionelles Auto.
tagesschau.de: Woran liegt es, dass beim Begriff Elektromobilität eigentlich alle an Elektroautos denken?
Lohbeck: Das ist genau der Kern des Problems - und auch das Problem des von der Bundesregierung verabschiedeten Regierungsprogramms zur Elektromobilität. Entgegen der wortreichen Semantik will die Bundesregierung, zusammen mit der Industrie, nämlich nicht "die Mobilität" sondern "das Auto" fördern. Das Auto soll fortgeschrieben werden. Eben mit anderen Mitteln - und sei es denn elektrisch. Doch das bringt dem Klima nichts. Im Gegenteil. Das Auto in seiner heutigen Größe und Schwere ist und bleibt eine schwere Hypothek für das Klima und die Mobilität - unabhängig vom Antrieb.
Wolfgang Lohbeck ist Verkehrsexperte bei Greenpeace Deutschland.
tagesschau.de: Aber wie erklären Sie sich dann die Fokussierung auf das Elektroauto?
Lohbeck: Letztendlich geht es der Autoindustrie allein um einen Systemerhalt. Das Auto soll Statussymbol bleiben - und das Elektroauto soll als grünes Deckmäntelchen dienen. Und das obwohl es für diese Technologie eigentlich nicht geeignet ist. Außerdem wird das Elektroauto auf dem Massenmarkt auf absehbare Zeit sowieso keine Rolle spielen. Die Batterien sind einfach zu teuer. Der Normalverbraucher kann sich das gar nicht leisten.
tagesschau.de: Die Autoindustrie benutzt also das Elektroauto als Feigenblatt, um letztendlich weiterzumachen wie bisher?
Lohbeck: Das spielt sicherlich auch eine Rolle, beispielsweise um den maximal erlaubten CO2-Verbrauch der eigenen Hersteller-Flotte zu senken. Da werden Elektroautos überproportional berücksichtigt. Mit dem Ergebnis, dass bei den konventionellen Modellen dann mehr CO2 emittiert werden darf. Aber darüber hinaus gibt es schon einen Umbruch. Elektromobilität wird kommen - und momentan kämpfen die verschiedenen Interessensgruppen eben darum, wie sie am besten in ihr Portfolio passt.
tagesschau.de: Was meinen Sie damit?
Lohbeck: Stromkonzerne wie RWE oder E.ON beispielsweise würden die Republik am liebsten mit Lade-Säulen vollpflastern, um die gesamte Mobilität von den Stromversorgern abhängig zu machen - um sich den ganzen Kuchen "Mobilität" auch wirklich zu sichern.
tagesschau.de: Sie haben es ja bereits angesprochen: Noch sind Elektro-Autos vergleichsweise teuer. Glauben Sie nicht, dass sich das mit der Massenproduktion ändert und deshalb eine staatliche Anschubfinanzierung auch sinnvoll sein kann?
Lohbeck: ...wenn sie denn massentauglich ist. Doch gerade bei den Elektroautos bin ich da skeptisch. Dreh- und Angelpunkt bei Elektroantrieben ist die Batterie. Und das ist ja im Grunde keine völlig neue Technologie, bei der man deswegen mit schnellen Quantensprüngen rechnen kann. Denken Sie nur an die ganzen Batterien in Handys oder mobilen Computern. Da sind diese Batteriezellen ja schon milliardenfach in Verwendung. Ohne Frage ist das eine bewährte und etablierte Technologie. Aber in der eigentlichen Batteriephysik werden Quantensprünge von keinem Experten wirklich erwartet. Mal ganz abgesehen davon, dass in Batterien auch Rohstoffe wie Silizium und Kobalt verwendet werden. Die gibt es auch nicht unbegrenzt und umsonst.
tagesschau.de: 2020 sollen in Deutschland ja schon rund 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Wird dann Elektromobilität eine entscheidende Rolle in der Praxis spielen?
Lohbeck: Ohne Frage: Elektromobilität ist die Zukunft. Wir dürfen dabei eben nicht nur an Elektroautos und Batterien denken. Klimafreundliche Fortbewegung muss weit über das Auto hinaus gehen. Dazu gehören die intelligente Vernetzung verschiedener Carsharing-Modelle ebenso wie ausgeklügelte, öffentliche Verkehrssysteme. Da sehe ich eher die Zukunft.
Das Interview führte Niels Nagel, tagesschau.de
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