Interview

Interview zum Opel-Verkauf "GM behält alle Möglichkeiten"

Stand: 10.09.2009 18:44 Uhr

Ein Verbund von General Motors und Opel liege im beiderseitigen Interesse, sagt Autoexperte Seeba im Interview mit tagesschau.de. Denn Opel stehe nach der Loslösung von GM vor fast unlösbaren Aufgaben. Die jetzige Entscheidung für Magna wertet er auch als Wahlkampfgeschenk.

tagesschau.de: GM will die Mehrheit an Opel verkaufen, gleichzeitig soll Opel aber Teil des Produktentwicklungsverbundes General Motors bleiben. Was bedeutet das für die Perspektiven von Opel?

Hans-Gerhard Seeba: Einerseits will sich Opel - insbesondere vertreten durch den Betriebsrat - von General Motors vollständig lösen. Andererseits ist Opel viel zu klein, um bei einer totalen Loslösung von GM im globalisierten Automobilgeschäft auf der Ebene der Hersteller noch mitzuspielen. Also müsste Opel ein Interesse daran haben, mit GM einen irgendwie gearteten Verbund zu bilden. Ein ähnliches Interesse müsste bei GM bestehen, denn Opel hat die zukunftsträchtigeren Fahrzeuge als GM in Nordamerika.

Es sieht daher eher so aus, als ob es eine Loslösung von General Motors gibt - aber Opel dann mit mehr Selbstbewusstsein auch wieder mit GM zusammarbeitet. GM will die Entwicklungskapazitäten und Entwicklungskompetenzen von Opel nutzen. Opel will die Größenvorteile von GM zum Beispiel im Bereich des Einkaufs und des globalen Vertriebs nutzen.

Zur Person

Hans-Gerhard Seeba ist Professor für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften am Campus Wolfsburg und Direktor des Instituts für Automotive Management. Zuvor war er unter anderem Manager bei Volkswagen, zuletzt Leiter der Vertriebswegestrategie Konzern.

tagesschau.de: Heißt das, dass GM nur formal auf Opel verzichtet?

Seeba: Vieles spricht dafür, dass GM sich nicht wirklich von Opel trennen will. Auch die Diskussion vor dieser Entscheidung ließ durchschimmern, dass GM nur aus finanziellen Gründen gezwungen ist, Opel ziehen zu lassen. Die Tatsache, dass GM nach dem Magna-Konzept 35 Prozent an Opel behält, zeigt, dass der Konzern mehr als nur einen kleinen Fuß in der Tür hat. Zudem ist Magna vom Umsatz her zu 25 Prozent von GM abhängig. Also hat GM alle Möglichkeiten, bei Opel auch künftig sehr stark mitzubestimmen.

"GM konnte dem politischen Druck nicht ausweichen"

tagesschau.de: Die Bundesregierung drängte seit langem auf den Verkauf an Magna. Sehen Sie in der GM-Entscheidung eine Art Wahlkampfgeschenk kurz vor der Bundestagswahl?

Seeba: Das ist zumindest zu vermuten. Der Zeitpunkt kann zufällig sein, aber es passt wunderbar in die Wahlkampfzeit. Es ist zu vermuten, dass die Politik heftigen Druck ausgeübt hat. Diesem Druck konnte GM nicht ausweichen, nachdem schon ein Kredit aus Deutschland geflossen war.

tagesschau.de: Werten Sie diese Entscheidung als Erfolg der Bundesregierung?

Seeba: Ich sehe diese Entscheidung als einen ordnungspolitischen Sündenfall an. Man muss im schlimmsten Fall damit rechnen, dass die Bürgschaften, die der Bund stellt, irgendwann fällig werden. Dann wird für die Rettung von etwas mehr als 20.000 Arbeitsplätzen ein Betrag ausgegeben, der in etwa 200.000 Euro je Arbeitsplatz beinhaltet. Das ist ein hoher Preis.

"Opel steht vor fast unlösbaren Aufgaben"

tagesschau.de: Reicht denn das Geld des Magna-Konzepts, um Opel neu aufzustellen?

Seeba: Die Finanzmittel, die im Magna-Konzept vorgesehen sind, sind eher begrenzt. Denn Opel steht als dann selbstständiger Anbieter in Westeuropa vor riesigen Problemen: Es ist das schwache Markenimage, das einen langen Atem erfordert, um im Bewusstsein der Kunden besser dazustehen. Vor allem ist es aber die mangelhafte Marktabdeckung. Opel hat circa zehn Baureihen, Volkswagen hat beispielsweise über alle Marken fast 40 Baureihen. Opel ist im schwer umkämpften europäischen Markt in vielen Bereichen überhaupt nicht präsent und steht vor der fast unlösbaren Aufgabe, eine Fülle von neuen Modellen in kurzer Zeit auf den Markt zu bringen. Das wird mit diesem Investitionsvolumen nicht möglich sein.

Das Interview führt David Rose, tagesschau.de.