EU-Treffen zur Schuldenkrise Die Eurozone bangt um Italien
Seit langem gilt Italien als möglicher Problemfall der Eurozone. Angesichts gestiegener Ängste vor einer Zahlungsunfähigkeit des Landes ist heute ein EU-Spitzentreffen angesetzt. Offiziell ist Italien kein Thema, an Rufen nach einer Aufstockung des Euro-Rettungsschirms ändert das nichts.
In der Eurozone wächst die Sorge vor einer Ausweitung der Schuldenkrise auf Italien. Offiziell ist dies zwar kein Thema bei einem kurzfristig angesetzten EU-Spitzentreffen. Dazu hatte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy den EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Währungskommissar Olli Rehn, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, nach Brüssel geladen. Inoffiziell verlautete allerdings, dass bei dem Gespräch Italien ebenso auf der Tagesordnung stehen werde wie beim regulären Treffen der Finanzminister der Eurozone, die am Nachmittag zusammenkamen. "Wir werden dort auch Fragen für den italienischen Minister haben", sagte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter.
Das Spitzentreffen auf EU-Ebene kam unter dem Eindruck der wachsenden Sorge um das hoch verschuldete Italien zustande. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen stiegen deutlich, weil Anleger befürchten, dass das Land geliehenes Geld möglicherweise nicht zurückzahlen kann. Am Wochenende hatte Italiens Staatssekretär Paolo Bonaiuti auf die Entwicklung mit der Ankündigung reagiert, dass die Aufgabe der Regierung ab sofort darin bestehe "zu zeigen, dass wir geschlossen stehen und die Anstrengungen der Spekulanten blockieren". Heute rief Präsident Giorgio Napolitano seine Landsleute zur Einheit auf, um die die Probleme des Landes zu überwinden. Es müsse ein schlüssiges und gemeinsames Vorgehen geben, sagte er.
Spekulation über Aufstockung des Euro-Rettungsschirms
Einem Bericht der "Welt" zufolge setzt sich die EZB bereits für eine deutliche Aufstockung des Euro-Rettungschirms ein, um Italien gegebenfalls vor der Zahlungsunfähigkeit retten zu können. Wird Italien zum Krisenfall, dann reicht nach einhelliger Meinung von Experten der aktuelle Rettungsschirm mit 750 Milliarden Euro bei weitem nicht aus. Es wären ganz andere Dimensionen an Finanzhilfen nötig. Schätzungen reichen bis zu einer Verdopplung auf 1,5 Billionen Euro.
Deutschland sieht allerdings offiziell keinen Bedarf für eine Aufstockung des Rettungsschirms. Der Euro an sich sei stabil, "aber wir haben in einigen Ländern ein Schuldenproblem", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie forderte Italien auf, die Staatsfinanzen zu sanieren. "Die Verabschiedung eines Haushalts, der den Anforderungen an die notwendige Sparsamkeit und Haushaltskonsolidierung auch Rechnung trägt", sei ein "ganz wichtiges Signal, das von Italien selbst gesendet werden muss", sagte Merkel. "Ich habe festes Vertrauen, dass die italienische Regierung genau einen solchen Haushalt auch verabschieden wird", fügte sie hinzu. Nach eigenen Angaben hatte die Kanzlerin gestern Abend mit Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi telefoniert.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trat Befürchtungen entgegen, dass Italien zum nächsten Problemfall der Eurozone werde. Die Regierung in Rom habe einen überzeugenden Haushaltsentwurf vorgelegt. "Und ich habe keinen Zweifel, dass Italien die richtigen Entscheidungen trifft", betonte Schäuble. Gerüchte über eine Verdoppelung des Rettungsschirms wegen der Haushaltsprobleme in Italien hätten mit der Realität nichts zu tun, sagte er.
Italien mit Rekordschulden
Die jahrzehntelange Verschuldungspolitik sichert Italien seit langem einen Spitzenplatz unter den hoch verschuldeten europäischen Staaten. Schon zu Beginn der Finanzkrise summierte sich der Gesamtschuldenstand des Landes auf mehr als 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Inzwischen sind es knapp 120 Prozent. Das ist zwar deutlich weniger als Griechenland, das inzwischen auf 160 Prozent zusteuert. Andererseits liegt der italienische Wert aber fast 40 Prozentpunkte über dem deutschen Schuldenstand. Den europäischen Maastricht-Grenzwert von 60 Prozent, den inzwischen die Mehrheit der Mitgliedsländer reißen, übertrifft Italien um das Doppelte.
Wie andere Staaten reagierte Italien auf diese Entwicklung mit Einsparungen. Aktuell geht es um weitere rund 40 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre. Dennoch übertraf das Staatsdefizit mit 5,3 Prozent im Jahr 2009 und 5,0 Prozent im vergangenen Jahr den zulässigen Maastricht-Grenzwert von drei Prozent deutlich. 2011 und 2012 sollte die Neuverschuldung nach Schätzungen der EU-Kommission auf 4,0 und 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Erst 2014 soll das Minus wieder unter der Drei-Prozent-Marke liegen.
Italien litt wie andere Industriestaaten stark unter der weltweiten Finanzkrise. Die Wirtschaftsleistung sackte 2008 ab und brach 2009 sogar noch stärker ein als in Deutschland. 2010 verzeichnete das Land mit 1,3 Prozent wieder ein Wirtschaftswachstum und rechnet in diesem Jahr mit einer nur leicht schwächeren Entwicklung.