Verbot ungedeckter Leerverkäufe Kabinett will Spekulation per Gesetz eindämmen

Stand: 02.06.2010 19:16 Uhr

Die Bundesregierung hat ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Deutschland auf den Weg gebracht. Finanzminister Schäuble wies den Vorwurf eines nationalen Alleingangs zurück. Er äußerte die Hoffnung, der deutsche Vorstoß könne die Einführung einheitlicher europäischer Regeln vielmehr beschleunigen.

Von Michael Weidemann, ARD Berlin

Von Michael Weidemann, NDR, ARD-Hauptstadtstudio

Als Innenminister war Wolfgang Schäuble auch für den Sport zuständig. Als Finanzminister bemüht er deshalb einen Vergleich mit dem Wettmarkt im Sport, um zu erklären, warum ungedeckte Leerverkäufe per Gesetz verboten werden sollen. Grundsätzlich sei weder gegen Spekulationen auf dem Finanzmarkt noch gegen Sportwetten etwas einzuwenden, meinte der Jurist Schäuble. Aber: "Wenn einer eine Chance hat, den Eintritt eines Ereignisses zu beeinflussen, dann sind wir in der Fußballsprache beim Wettskandal, wo Teilnehmer, die Wetten abschließen, plötzlich das Ergebnis beeinflussen wollen. Und das geht nicht!", sagte Schäuble.

Aktienmarkt
Bei Leerverkäufen oder "short sellings" verkaufen Händler Aktien, die sie nur ausgeliehen haben. Wenn der Kurs des Papiers unter den eigenen Verkaufspreis gefallen ist, kaufen sie die Aktien zurück und verdienen an der Differenz abzüglich einer Leihgebühr.

Ungedeckte Leerverkäufe sind eine verschärfte Form der "short sellings". Anders als bei einem normalen Leerverkauf sind bei dieser englisch "naked short selling" genannten Spekulationsform die verkauften Wertpapiere noch nicht einmal geliehen. Damit kann theoretisch ein Vielfaches der aktuell verfügbaren Papiere verkauft werden, was starke Kursverwerfungen nach sich ziehen kann. Der Short Seller hat bei dieser Form dann in der Regel mehrere Tage Zeit, sich die Papiere, die er bereits verkauft hat, nachträglich zu beschaffen.

"Märkte rufen geradezu nach mehr Regulierung"

Ähnliches gelte für Spekulationen auf Staatsanleihen, die mithilfe von Ausfallversicherungen in Gefahr gebracht würden und deshalb ebenfalls untersagt werden sollen. Solche Eingriffe störten die Abläufe auf den Finanzmärkten, bekäme er immer wieder als Einwand zu hören, sagte Schäuble. Das sei für ihn aber kein Grund, nicht zu handeln: "Das wäre nun die ganz falsche Lehre aus der Finanzkrise. Die Märkte rufen geradezu nach mehr Regulierung, damit sie sich nicht selbst zerstören. Und dieser Ruf ist gehört, und er wird erfüllt."

"Nationale Initiativen beschleunigen europäische Entscheidungen"

Zweiter Einwand: Deutschland allein kann die Fehlentwicklungen auf den international extrem verflochtenen Finanzmärkten nicht korrigieren. Das sei auch gar nicht das Ziel der Bundesregierung, konterte der Finanzminister. Das heute auf den Weg gebrachte Gesetz solle - wie auch die im Frühjahr initiierte Regelung für eine Bankenabgabe - nur als Sofortmaßnahme dienen, bis die weltumspannende G20-Staatengemeinschaft oder wenigstens die EU entsprechende international wirksame Vorschläge ausgearbeitet hat: "Wenn Mitgliedsländer in bestimmten Fragen vorangehen, sind das nicht Alleingänge, die am Ende gemeinsames Handeln in Europa schwächen. Sondern ich bin davon überzeugt, dass nationale Initiativen im Zweifel europäische Entscheidungen eher beschleunigen."

"Banken sollen sich wieder auf ihre Aufgaben konzentrieren"

Die Bundesregierung habe bei all diesen Vorlagen ein festes Ziel im Auge, erklärte Schäuble. Sie wolle "die beiden Hauptursachen dieser Krise energisch und zeitnah bekämpfen: die Rückführung der Defizite und eine bessere, effizientere Regelung der Finanzmärkte, um Übertreibungen und Missbräuche zu verhindern". Auch beim Verbot ungedeckter Leerverkäufe gehe es im Kern darum, die Finanzwirtschaft wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. "Wir lassen uns nicht davon abhalten, das Ziel weiter zu verfolgen, dass die Finanzmärkte wieder die Finanzierung und die angemessene Ausstattung mit Kapital und Liquidität der realen Wirtschaft sicherstellen", sagte Schäuble. Die Banken sollen wieder Kredite an Firmen vergeben statt an den Börsen zu spekulieren.