Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute Vier Millionen Arbeitslose noch in diesem Jahr?
Hunderttausende werden offenbar bald wegen der Wirtschaftskrise ihren Job verlieren. Die führenden Wirtschaftsinstitute rechnen mit vier Millionen Arbeitslosen noch im Herbst und fast fünf Millionen 2010. Und selbst diese düstere Prognose basiere noch auf sehr optimistischen Annahmen.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sagen Deutschland in ihrem Frühjahrsgutachten einen Konjunktureinbruch von bisher nicht gekanntem Ausmaß voraus. Dieser werde sich auch heftig auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Die Institute betonten, selbst diese Prognose setze voraus, dass das internationale Bankensystem dank Staatshilfen gesunde. Diese Annahme sei aber "mit großer Unsicherheit behaftet" - eine neue Vertrauenskrise mit weiteren Einbrüchen in der Industrieproduktion sei nicht ausgeschlossen.
Die Arbeitslosigkeit steige bis Ende 2010 knapp unter die Marke von fünf Millionen, heißt es in dem Gutachten. Sie dürfte demnach bereits im Herbst die Grenze von vier Millionen überschreiten. Im Jahresverlauf 2009 sei mit einem Verlust von mehr als einer Million Jobs zu rechnen. Noch verhindere Kurzarbeit Entlassungen - trotzdem würden immer mehr Arbeitnehmer entlassen werden, wenn die Betriebe keine Aufträge mehr hätten.
Heftigster Einbruch seit 80 Jahren - Erholung erst 2010?
In ihrem 96-seitigen Gutachten "Im Sog der Weltrezession" zeichnen die acht Institute ein düsteres Bild. Zum Jahresanfang habe sich der Abschwung weiter verschärft - Tempo und Ausmaß seien beispiellos. Die Wirtschaft werde dieses Jahr um sechs Prozent einbrechen - so stark wie nie seit Gründung der Bundesrepublik, erklären sie in ihrem Frühjahrsgutachten. 2010 werde es wieder leicht bergauf gehen, das Bruttoinlandprodukt (BIP) schrumpfe aber weiter um 0,5 Prozent.
Die Weltwirtschaft sei in der tiefsten Rezession seit Ende der 1920er-Jahre. Exportweltmeister Deutschland reagiere darauf besonders empfindlich: Die Exporte dürften 2009 um 22,6 Prozent sinken. Der Welthandel breche um mehr als 16 Prozent ein.
Die Institute rechnen mit einer Stabilisierung nicht vor Mitte 2010. Das BIP, also die Summe aller hergestellten Waren und Dienstleistungen, werde erst 2013 wieder das Niveau von 2008 erreichen.
Forscher: Jobangst schlägt sich auf Konsum nieder
Die Angst vorm Jobverlust werde sich auf den Konsum auswirken. Geben die Verbaucher nach Einschätzung der Institute 2009 noch 0,3 Prozent mehr aus, dürften dies im nächstes Jahr 1,2 Prozent weniger sein. Immerhin profitieren sie von geringen Lebenshaltungskosten: 2010 sei mit stagnierenden Preisen zu rechnen.
Das Defizit dürfte zudem 2009 bei 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen und 2010 bei 5,5 Prozent, heißt es weiter. Damit wäre jeweils die EU-Grenze von drei Prozent überschritten.
Der Bankensektor ist am wichtigsten
Priorität für die Wirtschaftspolitik müsse die "volle Funktionsfähigkeit des Bankensektors" sein, schreiben die Forscher. Notfalls sollten die Geldhäuser zur Annahme staatlicher Hilfen gezwungen werden - "selbst eine Verstaatlichung stellt ein geringeres Übel dar als ein Andauern der Schwierigkeiten". Der Europäischen Zentralbank empfahlen die Institute, den Leitzins auf 0,5 von 1,25 Prozent zu senken.
Die Abwrackprämie für Altautos kritisierten die Forscher als "Beispiel für eine verfehlte Politik". Ein neues Konjunkturpaket lehnen sie mehrheitlich ab und begründen dies mit der absehbaren Zunahme des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung. Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte nach dem gestrigen Konjunkturgipfel bekräftigt, dass ein drittes Konjunkturpaket nicht nötig sei.
Steinbrück: Fünf Prozent "nicht unwahrscheinlich"
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte Deutschland für 2009 einen Konjunktureinbruch von 5,6 Prozent vorhergesagt, für das nächste Jahr ein Minus von einem Prozent. Finanzminister Peer Steinbrück hält ein Schrumpfen von mindestens fünf Prozent dieses Jahr nach eigenen Worten "nicht für unwahrscheinlich".
Merkel sprach nach einem Konjunkturgipfel im Kanzleramt von einem "schweren Wirtschaftseinbruch", verwies aber darauf, dass die deutschen Konjunkturprogramme im Ausland stark beachtet würden.