Auftragsstau in der Industrie nimmt ab Stärkster Rückgang der Bestände seit vier Jahren
Der Auftragsstau in der deutschen Industrie wird kürzer. Ein Grund ist, dass Lieferketten wieder besser funktionieren. Allerdings sinken auch die Aufträgseingänge.
Der Auftragsstau in der deutschen Industrie löst sich mehr und mehr auf. Im März nahm der Auftragsbestand im Verarbeitenden Gewerbe um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat ab.
Im gesamten ersten Quartal sank der Auftragsbestand um 1,0 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Demnach war das der stärkste Rückgang seit Januar 2019.
Neugeschäft in der Industrie bricht ein
"Noch ist der Auftragsbestand hoch und sorgt für eine anhaltende Produktion bei den Unternehmen, auch wenn keine neuen Aufträge hereinkommen", sagte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauk Aufhäuser Lampe Privatbank.
"Doch für die kommenden Monate stehen die Signale auf einen deutlich langsameren Produktionsgang." So ist das Neugeschäft in der Industrie im März mit 10,7 Prozent zum Vormonat so stark eingebrochen wie zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 nicht mehr.
Autobranche mit deutlichem Rückgang
Besonders in der Autobranche zeigte sich ein deutlicher Rückgang der Auftragsbestände. Die Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen verzeichneten im März einen Rückgang um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Lange Zeit hatte die Branche mit Materialengpässen zu kämpfen, etwa bei Halbleitern. Durch eine verbesserte Versorgung können die Bestellungen nun schneller abgearbeitet werden, wodurch sich der Auftragsstau verringert. Gegen den Trend gestiegen sind hingegen die Bestände bei den Herstellern von Metallerzeugnissen um 2,5 Prozent.
Reichweite des Auftragsbestands leicht gesunken
Auch die Reichweite des Auftragsbestands hat im März leicht abgenommen. Sie liegt nun bei 7,4 Monaten im Vergleich zu 7,5 Monaten im Februar. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Bestellungen theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Bestellungen abzuarbeiten.
Bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen sank die Reichweite von 10,7 auf 10,5 Monate. Bei den Produzenten von Vorleistungsgütern blieb sie mit 3,8 Monaten unverändert. Bei den Konsumgüterherstellern stieg die Reichweite dagegen leicht von 3,5 auf 3,6 Monate.
Weniger Aufträge für deutsche Industrie
Doch nicht nur verbesserte Lieferketten sorgen für weniger Auftragsstau. Die Aufträge für die deutsche Industrie sind insgesamt gesunken. Im Februar hatte es in der deutschen Industrie noch ein starkes Auftragsplus von 4,5 Prozent gegeben. Im März hingegen gingen die Bestellungen aus dem Inland um 6,8 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück, während die Auslandsnachfrage um 13,3 Prozent einbrach.
Nach drei Anstiegen in Folge sind die Auftragseingänge im März förmlich eingebrochen", kommentierte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. "Die Aufträge haben damit ihren Abwärtstrend wieder aufgenommen." Auch Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank zeigte sich pessimistisch: "Die Auftragseingänge waren und sind schwach - mehr noch: Da braut sich etwas zusammen."
Beschaffungsprobleme nehmen ab - Skepsis bleibt
Die Klagen der Industriebetriebe über Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten haben im April den siebten Monat in Folge abgenommen. Nur noch 39,2 Prozent der Firmen berichteten von Engpässen, nach 41,6 Prozent im März. Das ist der niedrigste Wert seit rund zwei Jahren, wie das Münchner ifo-Institut bei seiner Umfrage herausfand.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist unter anderem mit Blick auf die jüngste ifo-Umfrage zuversichtlich. "Die Stimmung in den Unternehmen hat sich zuletzt weiter verbessert, was für eine konjunkturelle Erholung im weiteren Verlauf des Jahres 2023 spricht."
Andere Experten bleiben skeptisch. "Anders als die meisten Volkswirte erwarten wir für die zweite Jahreshälfte keine Konjunkturerholung, sondern eher ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Inbesondere die kräftig gestiegenen Zinsen in vielen Regionen der Welt dürften die Nachfrage nach deutschen Produkten dämpfen. Einige Ökonomen befürchten also, dass Deutschland im Laufe des Jahres doch noch in eine Rezession rutschen könnte.