Inflation bleibt hoch Wirtschaftsweise erwarten leichtes Wachstum
Im Herbst gingen sie in ihrer Prognose noch von einem Abschwung der deutschen Wirtschaft aus. Nun sehen die Wirtschaftsweisen ein Wachstum von 0,2 Prozent. Doch bleibt die Inflation ein Problem.
In ihrer aktualisierten Konjunkturprognose für dieses und nächstes Jahr schreiben die sogenannten Wirtschaftsweisen: "Ein milder Winter macht noch keinen Frühling." Zwar habe sich der kurzfristige Ausblick auf die deutsche Wirtschaft aufgrund einer vorerst stabilisierten Energieversorgungslage und gesunkener Großhandelspreise leicht aufgehellt. Doch sorge die weiterhin erhöhte Inflation für Kaufkraftverluste und dämpfe die Konsumnachfrage.
Kaufkraftverlust verhindert stärkeren Aufschwung
Für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage für dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent. Im November war noch ein Rückgang von 0,2 Prozent vorausgesagt worden. Für das kommende Jahr rechnen die Regierungsberater mit einem Wachstum von 1,3 Prozent.
"Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust, die schlechteren Finanzierungsbedingungen und die sich nur langsam erholende Auslandsnachfrage verhindern einen stärkeren Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer.
Höhepunkt der Inflation erreicht
Die Wirtschaftsweisen sehen den Höhepunkt bei der Inflation mittlerweile überschritten. Sie sei aber immer noch deutlich erhöht und dürfte nur langsam zurückgehen. Im Schnitt rechnen die Regierungsberater für dieses Jahr mit einer Inflationsrate von 6,6 Prozent nach 6,9 Prozent im vergangenen Jahr.
"Die Inflation kommt zunehmend in der Breite der Wirtschaft an", sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding. "Die gestiegenen Erzeugerpreise und die zu erwartenden Lohnsteigerungen dürften die Verbraucherpreisinflation noch bis ins kommende Jahr hinein hoch halten." Erst für 2024 erwartet der Sachverständigenrat einen deutlichen Rückgang der Inflationsrate auf 3,0 Prozent.
EZB sollte auf Zinserhöhungs-Kurs bleiben
Die straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verschlechtert nach Einschätzung der Sachverständigen die Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen, was sowohl die Konsumnachfrage als auch die Investitionen dämpfe. Dies dürfte sich aber erst im Verlauf des Jahres merklich auf die Inflation auswirken und deren Entwicklung spürbar bremsen.
"Die Inflation ist noch weit vom Ziel der EZB von zwei Prozent entfernt, daher dürften weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr erforderlich sein", sagte die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. Die hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten der vergangenen Wochen erschwere allerdings die Inflationsbekämpfung durch die Zentralbanken.
Kurz zuvor hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel in einem Interview mit der "Financial Times" betont, dass die EZB Rufen nach baldigen Zinssenkungen widerstehen müsse, wenn der Zinsgipfel erst einmal erreicht sei. Ansonsten drohe die hohe Teuerung wieder aufzuflammen. "Unser Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei", sagte der Bundesbankchef, der im geldpolitischen Rat der EZB sitzt.
Wirtschaftsweise sehen keine neue Finanzmarktkrise
Mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor sehen die Wirtschaftsweisen keine neue Finanzkrise aufziehen: "Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten. Zudem sind derzeit der Interbankenmarkt und die Kreditversorgung der Realwirtschaft nicht gestört." Die Finanzmarktstabilität dürfte daher nach Einschätzung des Sachverständigenrates aktuell nicht gefährdet sein.
Optimistisch blicken die Regierungsberater auf die deutschen Staatsfinanzen. Insbesondere die erwarteten Ausgaben für die Energiepreisbremsen fallen deutlich niedriger aus als zuvor angenommen. Der Sachverständigenrat erwartet ein Staatsdefizit von 1,6 Prozent im laufenden Jahr, das 2024 auf 0,4 Prozent schrumpfen soll. Der Schuldenstand soll von 67,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr auf 63,5 Prozent im kommenden Jahr sinken.