EU einigt sich auf Arbeitszeit-Richtlinie Nur noch 48 Stunden
Die EU-Mitglieder haben sich auf eine Richtlinie zur Arbeitszeit geeinigt. Beschäftigte sollen künftig höchstens 48 Stunden pro Woche arbeiten. In Ausnahmefällen sind bis zu 65 Stunden erlaubt. Arbeitsminister Scholz sprach von "guten Lösungen". Ärzte übten scharfe Kritik.
In der Europäischen Union sollen Beschäftigte künftig nicht länger als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Die Arbeitsminister der 27 Mitgliedsländer einigten sich in Luxemburg bei der seit Jahren umstrittenen Richtlinie zur Arbeitszeit auf diesen Kompromiss. Sie vereinbarten weiter, dass Zeitarbeiter künftig grundsätzlich ab dem ersten Arbeitstag die gleichen Rechte haben wie Festangestellte. Die Sozialpartner in den EU-Ländern können jedoch Ausnahmen von dieser Regelung vereinbaren.
65 Wochenstunden nur in Ausnahmefällen
Die von der slowenischen Ratspräsidentschaft vermittelte Kompromisslösung sieht auch bei der Arbeitszeit Ausnahmen vor. Danach ist es weiter erlaubt, mehr als 48 Stunden zu arbeiten, falls der Arbeitnehmer zustimmt. Dies hatte Großbritannien gefordert um die dortige Praxis nicht aufgeben zu müssen, bei Bedarf zeitweise länger zu arbeiten und später als Ausgleich zusätzliche Freizeit zu erhalten. Maximal 65 Stunden Arbeit pro Woche sind demnach künftig noch erlaubt. Bislang lag die Höchstgrenze bei 78 Stunden.
Auch beim strittigen Thema der Bereitschaftsdienste erzielten die Minister einen Kompromiss. Hier lautet die Sprachregelung nun, dass Bereitschaftszeit etwa von Krankenhausärzten zwar nicht als Ruhezeit gewertet werden kann. Arbeitszeit ist sie aber nur dann, wenn dies in nationalen Gesetzen festgeschrieben ist oder sich die Sozialpartner darauf einigen. Der Umgang mit Bereitschaftsdiensten spielt in der neuen Richtlinie eine wichtige Rolle. Einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zufolge müssen sie als Arbeitszeit gelten. Dieser Vorgabe der Richter trägt die neue Richtlinie Rechnung, indem sie zwischen "aktivem" und "inaktivem" Bereitschaftsdienst unterscheidet. Als "inaktiv" gilt beispielsweise ein Bereitschaftsarzt, wenn er im Krankenhaus schläft.
EU-Kommission lobt Kompromiss
Der Beschluss fiel nach stundenlangen Verhandlungen mit qualifizierter Mehrheit. "Dies ist ein wichtiger Tag für die europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", sagte die EU-Ratsvorsitzende und slowenische Ressortchefin Marjeta Cotman. "Der Kompromiss gewährleistet Schutz und Sicherheit für die Arbeitnehmer, aber auch Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung", erklärte sie. EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla verspricht sich von der Einigung "neuen Schwung für das soziale Europa".
Eine Minderheit um Spanien und kleinere Länder übte heftige Kritik an der Arbeitszeitrichtlinie, die sie restriktiver zum Schutz der Arbeitnehmer fassen wollten. "Das ist ein Rückschritt", sagte Spaniens Minister Celestino Corbacho.
Scholz spricht von "guten Lösungen"
Für Deutschland bedeuten beide Neuregelungen nach den Worten von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz "eine gute Lösung". Bei den Rechten von Zeitarbeitern seien die deutschen Regelungen zum "Standard in Europa" geworden. Beide neuen EU-Richtlinien wertete er als "wichtige Bausteine eines sozialen Europas". Sie sorgten dafür, "dass Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird".
Zunächst müsse nun das Europäische Parlament, das volles Mitentscheidungsrecht habe, über die Richtlinie befinden. "Danach werden wir unter Einbeziehung der Sozialpartner prüfen, wie das deutsche Arbeitsrecht an die geänderte Richtlinie angepasst wird. Insgesamt ist der Anpassungsbedarf überschaubar", erklärte Scholz.
Scharfe Kritik der Ärzte
Die deutschen Ärzte kritisierten dagegen den Kompromiss scharf. Mit der "künstlichen Unterscheidung von aktiven und inaktiven Phasen der Bereitschaftsdienste" drohten "überlange Arbeitszeiten, übermüdete Klinikärzte im OP und am Krankenbett und eine Verschlechterung der Patientenversorgung", sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke. Auch die Bundesärztekammer (BÄK) fürchtet "gravierende Verschlechterungen" für Beschäftigte in den Krankenhäusern. "Im Zwiespalt zwischen Arbeitsschutz und Gewinnstreben haben sich die Arbeitsminister klar für die Wirtschaft und gegen die Arbeitnehmer entschieden", sagte BÄK-Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery. Er begrüßte jedoch die Ankündigung des Bundesarbeitsministers, die hohen Standards des deutschen Arbeitszeitgesetzes nicht zu ändern.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von einer "Verschlechterung gegenüber der jetzigen Regelung". Die neue EU-Richtlinie bereite den Weg für die schlechtere Bezahlung von Arbeitnehmern mit Bereitschaftsdiensten.