Geldverleih zwischen Geldhäusern "Zins-Manipulation ist kein Vergehen ohne Opfer"
Mit aller Härte will die EU gegen die Manipulation von Zinssätzen zwischen Banken vorgehen. Künftig soll es einen eigenen Straftatbestand geben. Wenn Banken den Libor oder Euribor zu ihren Gunsten beeinflussten, dann schädige dies auch Verbraucher und Unternehmer, warnten die zuständigen Kommissare.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Ohne jede Rücksichtnahme will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gegen die Manipulation von Zinssätzen zwischen den Banken vorgehen. Ein solches Verhalten müsse ohne jegliches Entgegenkommen bestraft werden, betont er.
Und EU-Justizkommissarin Viviane Reding geißelt es als Betrug, wenn Banken den Interbankenzins Libor künstlich niedrig oder hoch halten: "Hauseigentümer, kleine Unternehmen und Studenten müssen unter Umständen höhere Zinsen zahlen wegen der Aktivitäten einzelner Banker. Das ist hier kein Vergehen ohne Opfer."
Deswegen will die EU-Kommission jetzt die Voraussetzungen schaffen, damit solche Manipulationen auch entsprechend bestraft werden. In ihrer Verordnung gegen Insidergeschäfte und Marktmissbrauch haben die beiden Kommissare jetzt auch das Manipulieren der so genannten Interbankenzinsen als Straftatbestand eingebaut.
Das soll die rechtliche Grundlage liefern, damit die Aufsichtsbehörden in den Mitgliedsländern gezielt gegen Zinsmanipulationen vorgehen können. Und die Gerichte sollen bei Verstößen angemessene Strafen gegen Banker verhängen können, die den Zins zu ihren Gunsten beeinflusst haben.
Mindeststrafen hat die EU-Kommission vorerst nicht festgelegt
Rechtliche Schlupflöcher will Justizkommissarin Reding damit schließen: "Was wir heute auf den Tisch legen, bedeutet, dass wir diese nicht länger in Europa dulden." Mindeststrafen für die Manipulation von Interbankenzinsen hat die EU-Kommission vorerst nicht festgelegt. Die Mitgliedsländer müssen aber angemessene Sanktionen in ihren Gesetzen festschreiben; in einigen Ländern seien für solche Marktmanipulationen noch gar keine Strafen vorgesehen. Natürlich werde die Kommission den Druck aufrecht erhalten und sehr genau schauen, was in den Mitgliedsländern passiert.
Laut EU-Kommission könnte die neue Verordnung bis Ende des Jahres beschlossene Sache sein - wenn sich die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament rasch darauf einigten.
Der London Interbank Offered Rate (Libor) ist der weltweit gültige Interbanken-Zinssatz, der täglich in London festgelegt wird. An ihm orientieren sich alle möglichen Kredite mit variablen Zinsen in der Realwirtschaft. Er dient als Referenz für Finanzprodukte mit einem Gesamtvolumen von 360 Billionen Dollar.
Für die Berechnung melden die nach Marktaktivitäten 18 wichtigsten Banken dem britischen Bankenverband BBA die Zinsen, die sie für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssen. Aus den Zahlen werden die höchsten und tiefsten Werte gestrichen, um große Manipulationen zu vermeiden. Mit den übrigen Daten wird dann ein Mittelwert gebildet. Eine einzelne Bank hat so ohne Absprachen mit Konkurrenten praktisch keine Chancen, den Libor massiv zu beeinflussen.