Interview WLAN - Hype mit Hindernissen
Die so genannten WLANs sind auf dem Vormarsch. Während der Start für UMTS, die Telefonie der nächsten Generation, sich immer wieder verschiebt, entstehen allerorten drahtlose, lokale Netzwerke. tagesschau.de sprach darüber mit Jürgen Kuri, Redakteur bei der Computerzeitschrift c't.
tagesschau.de: Die UMTS-Lizenzen wurden im Bieterrausch der New Economy für viele Milliarden ersteigert. Wie kann sich die Investition rechnen?
Kuri: Alleine durch UMTS werden sich meiner Ansicht nach die Lizenzkosten nur schwer wieder einspielen lassen - schließlich sind für UMTS selbst noch einige Investitionen in Hardware, Infrastruktur und Kundenwerbung notwendig. Alleine dadurch, dass die Kunden UMTS nutzen, lässt sich gar nicht so viel einnehmen - oder es müsste so teuer sein, dass die Kunden eher abgeschreckt werden.
Die Branche befindet sich hier in einem Teufelskreis, aus dem sie alleine nicht herauskommt. Sie muss Anwendungen für UMTS finden, die die Kunden anlocken - und sie dazu verleiten, über die reinen UMTS-Gebühren hinaus für Dienste und Inhalte zu zahlen. Diese Quersubvention kann es der Branche erst ermöglichen, mit UMTS Geld zu verdienen. Immerhin: Mobilfunkkunden sind es gewohnt, für Sonderdienste und Inhalte extra zu bezahlen - der Boom der SMS oder gar die Bereitschaft, für neue Klingeltöne recht hohe Kosten in Kauf zu nehmen, demonstrieren dies.
Das eigentliche Problem der Branche besteht nun aber darin, Anwendungen zu finden, die mit den bisherigen Netzen nur schwer realisierbar waren. Ob der Video-Clip aufs Handy da die Lösung darstellt, wage ich zu bezweifeln. Eher kann ich mir vorstellen, dass etwa Dienste wie individuell konfigurierbare Musikdienste für unterwegs auf größeres Interesse gerade bei einem jüngeren Publikum stoßen.
tagesschau.de: Die Beraterfirma A.T. Kearney hat herausgefunden, dass die meisten Mobilkunden mit UMTS-Vorgängern wie WAP oder IMode nichts oder noch sehr wenig anfangen können. Was bedeutet das für die Einführung der UMTS-Dienste?
Kuri: WAP und i-mode sind hierzulande eigentlich nur für professionelle Kunden interessant, die ständig auf dem Laufenden bleiben wollen. In Japan dagegen boomte i-mode deswegen, weil NTT DoCoMo es als Fun-Service an die Kids und Jugendlichen verkaufte - neue Klingeltöne, bunte Bildchen, Multimedia-Nachrichten, Popstars als Videoclips. Nur für Nachrichten kauft sich niemand ein UMTS-Handy - zumal die meisten Anwender nicht so medieninteressiert sind wie etwa Journalisten oder Firmenmanager. Die Betreiber können natürlich aus dieser Erfahrung lernen: Und sie scheinen mit MMS oder Diensten wie Vodafone Live, aber auch den Änderungen von E-Plus bei i-mode, damit langsam anzufangen. Bislang aber ist noch nicht die alles entscheidenden Anwendung, der alles entscheidende Service sichtbar, der die Fehler bei WAP oder i-mode vermeiden hülfe und sich zum schlagenden Marketing-Argument für UMTS entwickelte.
tagesschau.de: Wenn man von der Internet-Nutzung "am Draht" ausgeht, sind ja Flatrates am transparentesten. Führt aus Ihrer Sicht noch ein Weg an der UMTS-Flatrate vorbei, wenn die Einführung erfolgreich sein soll?
Kuri: Wenn man von reinen Datendiensten ausgeht, dann ist eine Flatrate natürlich unvermeidlich. Nun ist UMTS aber beides: Sprachtelefonie und Datenübertragungsdienst. Dies lässt sich auf Netzebene unterscheiden. Daher rechne ich damit, dass es für professionelle Kunden etwa Kombinationen aus Daten-Flatrate und Zeitabrechnung für Sprachtelefonie geben wird.
tagesschau.de: Nach dem UMTS-Hype tauchte WLAN auf, eine preisgünstigere Alternative zum mobilen Netz. Man fragt sich als Laie: Warum wird UMTS überhaupt noch vorangetrieben?
Kuri: WLAN ist momentan in der Reichweite sehr beschränkt, die öffentlichen Hotspots, mit denen man als Privatkunde ins Internet kommt, sind noch dünn gesät. Die UMTS-Betreiber haben dagegen den Vorteil, zumindest in den Ballungsräumen recht schnell vorhandene Sendemasten ausbauen zu können. Zudem ist Sprachtelefonie über ein WLAN momentan noch nicht wirklich vernünftig einsetzbar, auch wenn sie theoretisch möglich ist. UMTS wird daher von den Mobilfunkbetreibern als für den User einfachste Kombination von Daten- und Sprachdienst vorangetrieben. Alle Mobilfunkbetreiber werden aber vor allem für den professionellen und Geschäftskunden-Bereich eigene WLAN-Angebote haben.
tagesschau: Welches sind die Vor- und Nachteile von UMTS gegenüber WLAN?
Kuri: UMTS bietet - für den User weitgehend transparent - beides: Sprach- und Datenübertragung. Zudem kann er sich bei UMTS während der Übertragung bewegen und muss in der Regel nicht auf die Funk-Reichweite seines Geräts achten. Zudem wird UMTS trotz des langsamen Starts von vornherein eine weit größere Netzabdeckung erreichen, als es selbst bei schnellstem Ausbau mit WLAN-Hotspots in zwei, drei Jahren zu erreichen ist.
Dafür ist auch UMTS bei der Datenübertragung immer noch weitaus langsamer als WLAN: 2 MBit/s im günstigsten Fall, der sicher zu Anfang noch nicht erreicht wird, gegenüber momentan in der Regel 11 MBit/s bei WLANs. Findet ein Anwender gar einen öffentlichen, kostenlosen WLAN-Hotspot, wie ihn beispielsweise einzelne lokale Initiativen wie wavehan in Hannover oder manche Unis auf ihrem Campus anbieten, muss er nicht einmal Gebühren entrichten. Diese Hotspots sind aber noch weitaus dünner gesät als selbst die kostenpflichtigen.
tagesschau.de: Auch WLANs müssten von Providern betrieben werden. Wie groß könnte der WLAN-Markt finanziell und von seiner Reichweite her werden? Und im Vergleich dazu UMTS?
Kuri: Beides lässt sich momentan meiner Ansicht nach von außen nur schwer abschätzen. Ich kenne die internen Kalkulationen der Betreiber leider nicht - und befürchte, dass nach dem ersten UMTS-Hype, der zu den horrenden Lizenzkosten führte, nun auch ein WLAN-Hype ausgebrochen ist, der angesichts des mangelhaften Ausbaus und bislang nur geringen Interesses außerhalb der Medienberichterstattung auch zu Problemen führt. Bislang sind WLAN-Hotspots vor allem für viel reisende Geschäftsleute interessant. Ob sich daraus ein Geschäftsmodell für Massenkundschaft machen lässt, wage ich zumindest für die nächsten zwei bis drei Jahre zu bezweifeln.
tagesschau.de: Der größte Chip-Hersteller Intel betreibt einen "eigenen" Wireless-Standard über die Vermarktung seines Centrino-Chips. Welchen Einfluss hat das auf WLAN als Ganzes?
Kuri: Intel nutzt in den Centrino-Notebooks den IEEE-WLAN-Standard 802.11b. Vielleicht hätte sich die Industrie nicht nur auf einen technischen Standard, sondern auch auf einen etwas einprägsameren Namen einigen sollen. Leider haben Begriffe wie Wi-Fi oder "Centrino" nicht zur Klärung für den unerfahrenen Privatanwender beigetragen, da die Marketingbegriffe der einzelnen Hersteller oder Konsortien nur zur Verwirrung beitrugen - alle momentan auf dem Markt befindlichen Adapter und Access Points entsprechen in der Regel IEEE 802.11b und können daher miteinander arbeiten.
Immerhin hat Intel es aber geschafft, WLANs vor allem als Kommunikationstechnik für Notebooks ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Allerdings eben auch mit Methoden, die sich möglicherweise rächen: Nicht nur an der Begriffsverwirrung ist Intel mit schuld, viele Anwender machen zudem die leidvolle Erfahrung, dass ein WLAN eben noch nicht so unkompliziert und überall verfügbar ist, wie Intel es in seinen Centrino-TV-Spots suggeriert.
tagesschau.de: Welche weiteren Probleme sehen Sie für einen Siegeszug der WLANs?
Kuri: Auseinanderdriften von Standards, die nicht immer zur Zusammenarbeit zu bewegen sind. Es gibt mittlerweile einige unterschiedliche Vorschläge für WLAN-Standards, die schnellere Datenübertragung als 802.11b mit 11 MBit/s bieten. Diese arbeiten teilweise auf anderen Frequenzen und anderen Techniken. Dies trägt momentan natürlich zu weiterer Verwirrung bei. Außerdem sind Sicherheitsfragen - einfache Abhörmöglichkeiten bei WLAN - noch immer nicht geklärt. Auch die weitgehend ungeklärten Befürchtungen in der Bevölkerung über Elektrosmog werden durch WLAN eher forciert.
tagesschau.de: Die Telekom/T-Online engagieren sich sowohl bei UMTS als auch bei WLANs. Läuft es also auf "friedliche Koexistenz" beider Standards hinaus?
Kuri: Meiner Einschätzung nach wird genau dies passieren: Alle Mobilfunkbetreiber werden beides anbieten. Das bedeutet aber auf der anderen Seite für die meisten kleinen Firmen, die mit WLAN-Diensten vergleichbar den Mobilfunk-Betreibern Geschäfte machen wollen, das Aus - außer, sie können bei einem der Großen wie T-Mobile, Vodafone, E-Plus oder O2 als Partner oder gar Abteilung unterschlüpfen.
Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de