Interview

Forderung des Vereins Deutscher Ingenieure "Brauchen mehr ausländische Fachkräfte"

Stand: 10.04.2007 15:43 Uhr

Viele Firmen würden gerne ausländische Hochschulabsolventen einstellen, doch die Hürden dafür sind hoch. Der Verein Deutscher Ingenieure macht sich deshalb für einen leichteren Zugang zum deutschen Markt stark. "Wir müssen Deutschland attraktiver machen", sagt Direktor Fuchs im tagesschau.de-Interview.

Viele Unternehmen würden gerne mehr Arbeitnehmer einstellen - doch gerade in der Informationstechnologie gibt es bereits einen Fachkräftemangel. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert deshalb für ausländische Fachkräfte und ausländische Absolventen deutscher Hochschulen einen leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Doch wo liegen die Hürden für ausländische Fachkräfte? Tagesschau.de sprach darüber mit dem Geschäftsführer des Vereins Deutscher Ingenieure, Willi Fuchs.

tagesschau.de: Was hindert ausländische Absolventen einer deutschen Hochschule daran, hierzulande einen Arbeitsplatz zu finden?

Willi Fuchs: Ausländische Fachkräfte müssen für eine Arbeitsgenehmigung derzeit in Deutschland ein Gehalt von mindestens 84.000 Euro erhalten. Das ist für viele kleine und mittelständische Unternehmen einfach zu hoch.

tagesschau.de: Welches Mindestgehalt wäre denn realistisch?

Fuchs: Wir müssen die Gehälter als Grundlage nehmen, die in der Industrie üblich sind. Studenten, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben, erhalten ungefähr 40.000 Euro.

Aufenthaltsrecht für Fachkräfte

Arbeitnehmer aus den (alten) EU-Staaten genießen eine generelle Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Für andere ausländische Fachkräfte, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland von besonderem Interesse sind, sieht das Aufenthaltsgesetz Sonderregeln vor. So können "Hochqualifizierte" ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Bei ihnen handelt sich um Wissenschaftler und Lehrpersonen sowie um Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderen Fachkenntnissen. Bei letzteren muss das Gehalt rund 85.000 Euro betragen (doppelte Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung).
Ansonsten kann speziell IT-Fachkräften sowie Fachkräften mit Qualifikationen, an denen ein öffentliches Interesse besteht, mit Zustimmung der BA ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Voraussetzung ist in diesem Fall jedoch, dass für die Beschäftigung keine deutschen Arbeitnehmer oder ihnen gleichgestellte ausländische Bewerber zur Verfügung stehen.

"Investition in Bildung wieder zurückgewinnen"

tagesschau.de: Das ist ja auch die Summe, die der DIHK vorgeschlagen hat – sie stimmen dem Vorstoß also zu?

Fuchs: Absolut. Er ist auch aus einem anderem Grund vernünftig. Die ausländischen Studenten werden mit deutschen Steuergeldern qualifiziert. Warum sollen wir das, was wir in sie investiert haben, nicht zurückgewinnen, indem diese der deutschen Wirtschaft mit ihrer Fachkompetenz zur Verfügung stehen und ihr damit weiterhelfen.

tagesschau.de: Wie groß ist denn der Mangel an Ingenieuren?

Fuchs: Zur Zeit haben wir 22.000 offene Stellen, die wir nicht besetzen können.

"Wachstum nur mit mehr Studenten"

tagesschau.de: Müsste man nicht die Weiterbildung in den Betrieben verstärken, um diesen Mangel zu beheben?

Fuchs: Das ist richtig. Wir erarbeiten derzeit mit den Wirtschaftsunternehmen Weiterbildungskonzepte, um das zu forcieren. Aber das größte Übel besteht darin, dass wir nicht genügend junge Menschen haben, die von unten nachwachsen. Wir haben gerade einmal so viele Absolventen, dass wir den Ersatzbedarf in der Wirtschaft decken können - wir schaffen also noch nicht einmal neue Stellen. Um uns aber weiter zu entwickeln, müssen wir mehr junge Menschen dafür gewinnen, ein solches Technik- oder naturwissenschaftliches Studium aufzunehmen.

tagesschau.de: Die Green Card stellte ja vor Jahren einen ersten Versuch dar, hier umzusteuern – und misslang. Muss man daraus nicht auch den Schluss ziehen, dass Deutschland schon aus sprachlichen Gründen nicht sehr interessant für ausländische Fachkräfte ist?

Fuchs: Das kann man so sehen. Andererseits suchen nicht nur deutsche Unternehmen Ingenieure und Fachkräfte. Das geschieht in ganz Europa. Die englischen Kollegen suchen ebenso verzweifelt wie die französischen und spanischen. Wir stehen da in einem ganz harten Wettbewerb. Wir müssen uns deshalb attraktiver machen, viel mehr Marketing für den Wirtschaftsstandort Deutschland betreiben. Die Sprache ist dann sekundär. In vielen Firmen wird heute englisch gesprochen. Fast die ganze deutsche Industrie ist international aufgestellt. Es kommt auf die Attraktivität des Standorts an.

Green Card zielte auf falsche Gruppe

tagesschau.de: Haben es Wirtschaft und Politik nicht genügend verstanden, für den Standort Deutschland zu werben?

Fuchs: In vielen Dingen ist das nicht gelungen. Wir können uns ein Beispiel an den Amerikanern nehmen, die weltweit intensiv für ihren Markt und ihre Ausbildungseinrichtungen werben und damit junge Menschen anziehen. Die Green Card hat versucht, junge Menschen nach Deutschland zu holen, die im Arbeitsprozess stehen. Das ist aber sehr schwierig. Wir müssen deshalb junge Menschen für ein Studium in Deutschland gewinnen und dann versuchen, diese Menschen hier zu behalten.

Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de