Der Vatikan und seine Finanzen Über Geld spricht man nicht

Stand: 26.08.2007 17:38 Uhr

Der Vatikan ist nicht nur der kleinste Staat der Welt. Er zeichnet sich auch durch eines der undurchsichtigsten Finanzsysteme aus. Goldreserven, Immobilien, Schatzbriefe und Aktien gehören zu seinem Vermögen. Wie hoch es jedoch ist, weiß außerhalb der Vatikanmauern keiner.

Von Britta Scholtys, tagesschau.de

"Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon", sagte einst Jesus Christus laut dem Lukas-Evangelium, Kapitel 16, Vers 13 zu seinen Jüngern. Doch die Zeiten haben sich geändert, auch für den Vatikan. Denn der mischt seit 1942, als Papst Pius XII. die Bank "Istituto per le Opere di Religione" (IOR) gründete, im internationalen Geldgeschäft mit. Das "Institut für religiöse Werke", dessen Eigentümer der jeweilige Pontifex seither ist, betreibt außer der Vergabe von Krediten Geld- und Anlagegeschäfte jeder Art. Wie hoch dabei die jeweilige Rendite ist und wieviel der Heilige Stuhl an Vermögen besitzt, weiß außerhalb der Vatikanmauern allerdings niemand so genau.

Finanzsystem Vatikan: Geschlossene Gesellschaft

Sicher aber ist: Der Vatikan verfügt über ein beträchtliches Vermögen. Der geschätzte Wert liegt bei mindestens 1,2 Milliarden und höchstens zwölf Millliarden Euro. Dazu gehören Goldreserven in der Schweiz und in den USA, Immobilien, Schatzbriefe, Aktien und festverzinsliche Wertpapiere. Verwaltet wird das Vermögen heute von der Vermögensadministration der Kurie (APSA), nachdem das Geldinstitut IOR wegen wiederholter Finanzskandale 1990 reformiert wurde. Einblicke in die Vermögensverhältnisse gewährt allerdings auch die neue Verwaltung so gut wie keine.

Selbst über die Höhe des so genannten Peterspfennigs, des freiwillig von den Katholiken aus aller Welt geleisteten Obulus, schweigen die Hüter des Vatikangeldes. Insiderspekulationen zufolge soll die Abgabe, die 2002 rund 53 Millionen Euro brachte, jahrelang zur Deckung von Defiziten genutzt worden sein.

Vatikanbilanzen: Mehr Glaube als Fakten

Dabei verzeichnete der Vatikan, der seit der Banken-Reform 1990 jeden Sommer eine Bilanz veröffentlicht, noch bis 2001 Gewinne von über 30 Millionen Euro. Damit ist angeblich Schluss, glaubt man den Angaben, die nach internationalen Kriterien nur wenig mit transparenten Geschäftsberichten zu tun haben. Den Bilanzen zufolge schreibt der Vatikan rote Zahlen. 2003 standen den Ausgaben von 213 Millionen Euro lediglich Einnahmen von 203,7 Millionen Euro gegenüber.

Zu den verbuchten Ausgaben gehören Zahlungen an die verschiedenen politischen, religiösen und diplomatischen Gremien des Vatikan - vom Staatssekretariat über die Kongregationen, die päpstlichen Räte und Kommissionen bis hin zu den Gerichten -, die Finanzierung der Reisen des Papstes und des Kurienpersonals, der mehr als 100 diplomatischen Vertretungen, der Medien Radio Vatican, "L'Osservatore Romano" und der Vatikan-Website sowie die Renovierung von Gebäuden. Diese allerdings werden häufig von privaten Stiftungen bezahlt. So kam das Geld für den Umbau der vatikanischen Bibliothek aus Deutschland, die Restaurierung der Sixtinischen Kapelle finanzierte Japan.

Die Kassen des Heiligen Stuhls werden wiederum gefüllt durch die unterschiedlichsten Einnahmequellen: durch Spenden und Abgaben der Bischofskonferenzen, Mieteinnahmen, Verpachtungen, den Verkauf von Briefmarken, Münzen, Devotionalien, den Rechteverkauf von Foto- und Filmaufnahmen sowie Finanztransaktionen. Diese Geldtransfers der IOR-Bank, deren Eigentümer nach wie vor der Pontifex ist, unterliegen kaum internationalen Kontrollen - trotz eines internationalen Bankierrates infolge der Umstrukturierung des Geldinstituts. Bis heute ist das IOR ein untypisches Bankhaus mit einem ausgewählt privilegierten Kundenkreis und den Vorteilen einer steuerfreien Zone, für welche die italienischen Kapitalausfuhr- und Devisenbestimmungen nicht gelten.

Die dubiosen Geschäfte der "Bank des Papstes"

In der Vergangenheit war das IOR mehrmals wegen unsauberer Finanzgeschäfte in die Schlagzeilen geraten. Von Geldwäsche, Betrügerei und mafiösen Verstrickungen war die Rede. Den folgenschwersten Skandal, dessen Hintergründe bis heute ungeklärt sind, erlebte das IOR 1982, als das Bankhaus unter Leitung des US-Erzbischofs Paul Marcinkus stand. Der Erzbischof soll mit dem damaligen Direktor der Mailänder Banco Ambrosiano, Roberto Calvi, und Michele Sindona, einem als Mafia-Banker bekannten Geldwäscher, Gelder verschoben und veruntreut haben.

Calvi, wegen seiner guten Kontakte zum Heiligen Stuhl auch "Bankier Gottes" genannt, floh nach dem Bankrott der Ambrosiano-Bank nach England. Dort wurde er am 17. Juni 1982 erhängt unter der "Brücke der schwarzen Brüder" in London gefunden. "Calvi sollte für immer der Mund geschlossen werden, weil er alle Geheimnisse der Geldwäsche der Mafia durch die Banco Ambrosiano und die Vatikan-Bank wusste", schrieb damals die römische Tageszeitung "La Repubblica". Michele Sindano starb 1986 an einer Vergiftung in einem italienischen Gefängnis.

Erzbischof Marcinkus dagegen blieb bis zu seiner Entlassung 1989, als die Umstrukturierung der Bank eingeleitet wurde, Leiter des IOR, obwohl die italienischen Justizbehörden 1987 einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten. Der Erzbischof profitierte von der Souveränität des Vatikans: Dieser lehnte eine Auslieferung ab.