Interview

Interview mit Mark Landau "Ich stehe hier nicht mit schlotternden Hosen"

Stand: 28.08.2007 04:50 Uhr

Die Anschläge von Istanbul galten auch der internationalen Geschäftswelt. Die Türkei hängt stark von ausländischen Investitionen ab. Sie gilt als kommender Markt. tagesschau.de sprach darüber mit Mark Landau, er ist Geschäftsführer der deutsch-türkischen Außenhandelsgesellschaft, die ihren Sitz in Istanbul hat. 

tagesschau.de: Wie haben die Anschläge Istanbul verändert?

Landau: Auf den ersten Blick nicht. Die Straßen sind voll, Büros und Geschäfte geöffnet. Die Menschen bemühen sich alle um "business as usual".

tagesschau.de: Was ist von den verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zu sehen, die die Behörden angekündigt hatten?

Landau: Insgesamt sind mehr Sicherheitskräfte auf den Straßen. Vor allem an zentralen Kreuzungen ist die Präsenz erhöht. Das hatte nach den beiden Anschlägen vom letzten Wochenende begonnen. In meinem Stadtteil gibt es auch eine kleine Synagoge und davor steht seit Samstag ein Uniformierter mit Kugelweste. Auch am Flughafen sind die Sicherheitskontrollen jetzt gründlicher als vorher, das Einchecken dauert nach Angaben unseres Reisebüros statt vorher 30 Minuten jetzt bis zu zwei Stunden.

tagesschau.de: Mit der HSBC war auch eine internationale Bank Ziel der Anschläge. Wie hat die internationale Geschäftswelt reagiert?

Landau: Ich habe heute mit einigen Kollegen und Geschäftsfreunden telefoniert, und bei denen ist soweit alles normal. Die HSBC hat ja in der Türkei ein dichtes Filialnetz, und die Filialen haben heute Morgen alle wieder geöffnet.

tagesschau.de: Wie gravierend sind die Auswirkungen dieser Anschläge auf die Tourismusindustrie?

Landau: Die Attentate werden sicher Spuren hinterlassen. Der Tourismus konzentriert sich aber in der Türkei auf die Mittelmeer-Küsten, und dort gab es bisher noch keinen islamistisch motivierten Anschlag. Insgesamt kann man das wohl erst einschätzen, wenn die neue Reisesaison anfängt – also erst im nächsten Frühjahr.

tagesschau.de: Werden ausländische Investoren jetzt zögern, Geld in der Türkei anzulegen?

Landau: Zumindest was die deutschen Anleger angeht, bin ich eher zuversichtlich, dass es keine langfristigen Änderungen geben wird. Das sind unternehmerische Entscheidungen, die nicht von heute auf morgen gefällt werden. Man muss sich auch vor Augen halten, dass die Geschehnisse der letzten Tage nicht türkeispezifisch waren. Sie hätten in jedem anderen Land Südeuropas oder Mittelamerikas oder sonstwo passieren können.

tagesschau.de: Wie gehen Sie persönlich mit der Situation um?

Landau: Ich versuche, meinen Alltag nicht beenflussen zu lassen. Ich stehe hier nicht mit schlotternden Hosen. Aber in den nächsten Zeit werde ich vorsichtiger sein, wohin meine beiden Kindern gehen und werde nach Möglichkeit größere Menschenansammlungen meiden.

Der Istanbuler lebt sowieso mit der permanenten Gefahr. In den nächsten drei Jahrzehnten kommt hier das ganz große Erdbeben. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum diese Bedrohungen durch Anschläge vergleichsweise leicht genommen werden.

Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de