Wie verlässlich ist Russland? EU debattiert mit Putin über Energie

Stand: 24.08.2007 21:00 Uhr

Seit dem Mittag beraten die EU-Staats- und Regierungschefs im finnischen Lathi. Wirklich spannend wird es jedoch erst jetzt - denn zur Stunde findet ein gemeinsames Abendessen mit Russlands Präsident Putin statt. Dabei soll es um Energiepolitik gehen. Das Thema ist heikel. Denn die EU bezieht ein Viertel ihrer Gas- und Ölimporte aus Russland.

Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel, z.Zt. Lahti

Bis zum gemeinsamen Abendessen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatten die Staats- und Regierungschefs der EU noch reichlich zu tun. Es geht darum, geschlossen aufzutreten, wenn man mit Putin über die Energieversorgung spricht - doch von Geschlossenheit ist die EU in der Energiepolitik ziemlich weit entfernt. Für die meisten EU-Länder ist das Thema so wichtig, dass sie lieber ihr eigenes Süppchen kochen und das sorgt untereinander immer wieder für Streit.

Deutschland bezieht ein Drittel seiner Gas-Versorgung aus Russland und setzt deshalb auf eigene Verträge mit dem Kreml. Eine Gaspipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland soll in Zukunft dafür sorgen, dass noch mehr Gas fließen kann. Den Polen allerdings ist das ganze Projekt ein Dorn im Auge.

"Das war ein Wake-up-Call für uns"

Einig dagegen sind sich die Europäer in einem Punkt: "Wir werden deutlich machen, dass wir Sicherheit in Verträgen bieten und das Gleiche von Russland erwarten - nämlich Vertragssicherheit und Zugang zum russischen Markt“, meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Vertragssicherheit war das in der Vergangenheit schon mal schwierig: Anfang des Jahres hatte der Kreml der Ukraine den Gashahn zugedreht - in der Folge war es auch in einigen osteuropäischen EU-Ländern zu Engpässen bei Gaslieferungen gekommen. Vielen sitzt der Schreck darüber noch immer in den Gliedern, auch wenn die Situation sich wieder normalisiert hat. "Das war ein Wake-up-Call für uns“, sagte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Putin kennt seinen größten Trumpf

Die EU bezieht ein Viertel ihrer Gas- und Ölimporte aus Russland. Vor allem in den osteuropäischen Ländern ist das Misstrauen gegenüber Russland groß - dort wünscht man sich mehr Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen. Die EU fordert deshalb vom Kreml, dass Russland auch Gaslieferungen aus anderen Ländern durch seine Pipelines zulassen soll. Doch Präsident Putin weigert sich. Er hat genau erkannt, dass die Abhängigkeit der Europäer von russischem Gas und Öl sein bester Trumpf ist. Laut Estlands Regierungschef Andrus Ansip hat Russland Energie schon mehrfach als Mittel der Außenpolitik eingesetzt.

"Auch über Menschenrechte sprechen"

Die EU verweist darauf, dass sie mit Putin auf Augenhöhe verhandeln könne, schließlich sei sie auch Russlands größter Kunde. "Wir brauchen uns gegenseitig", sagte der Gastgeber in Lahti, Finnlands Premierminister Matti Vanhanen. Die Europäer pochen deshalb auch auf mehr Demokratie und Menschenrechte in Russland. "Zu einem stabilen und konstruktiven Verhältnis gehört auch Ehrlichkeit und da müssen wir auch ehrlich und ohne Tabus über schwierige Fragen sprechen - zum Beispiel über Menschenrechte", bekräftigte Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission. Beim Abendessen mit Präsident Putin soll deshalb auch die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja zur Sprache kommen. Wenigstens in diesem Punkt sind sich die Europäer einig.