Interview mit Umweltökonomin Claudia Kemfert Wer richtig investiert, der profitiert
Deutschland ist führend im Bereich der Umwelttechnologie. Aber hierzulande werde ein Fehler begangen und zu wenig Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt, sagt Umweltökonomin Claudia Kemfert im Interview mit tagesschau.de. Laufen uns die USA den Rang ab?
Schadet der Klimawandel nicht nur der Natur, sondern auch der Ökonomie? Diese Frage wirft der heute veröffentlichte dritte Teil des UN-Klimaberichtes auf. Wer richtig investiere, könne aber auch vom Klimawandel profitieren, erklärt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Im UN-Klimareport heißt es, wenn die Erderwärmung im Bereich von 2,0 bis 2,4 Grad Celsius bleiben soll, koste dies im Jahr weniger als 0,12 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Sind das nicht überschaubare Kosten?
Claudia Kemfert: Das bezieht sich auf die Klimaschutzkosten. Bei der Schadensbewertung ist man nicht ins Detail gegangen. Es gibt teure und billige Maßnahmen. Diese 0,12 Prozent beziehen sich wohl auf ein sehr günstiges Jahr, was dann bedeutet, dass man Klimaschutz relativ kostenneutral umsetzen kann.
tagesschau.de: Diese Zahl macht also keine Aussage darüber, welche Kosten der Klimawandel tatsächlich mit sich bringt?
Kemfert: Nein, es wird damit nur gesagt, dass sich Klimaschutz lohnt und bezahlbar ist. Es wird gesagt, dass man möglichst früh mit Klimaschutzmaßnahmen anfangen sollte, möglichst viel Energieeffizienz umsetzen sollte und dass man sich um den Ausbau erneuerbarer Energien kümmern sollte. Je breiter der Maßnahmen- Katalog ist, desto mehr Möglichkeiten hat man.
tagesschau.de: Einige Autoren des UN-Klimaberichtes behaupten, manche Staaten könnten durch Entwicklung neuer Umwelttechnik sogar ein Wirtschaftswachstum erwarten. Teilen Sie diese Einschätzung?
Kemfert: Ja, das trifft für Deutschland zu. Die Investitionen, die jetzt getätigt werden müssen, belaufen sich weltweit auf 16 Billionen Euro, um Energietechniken voranzubringen. Das sind Investitionen, die Wachstum verursachen. Deutschland nimmt durch den Ausbau erneuerbarer Energien eine gute Stellung ein. Mit 215.000 Beschäftigten ist Deutschland eine gutes Beispiel dafür, wie man Klimaschutz und positives Wachstum miteinander verbinden kann.
tagesschau.de: Welchen Stellenwert wird diese Art von Technologie zukünftig bekommen?
Kemfert: Die Bandbreite ist sehr groß. Was wir brauchen, ist ein technologischer Durchbruch. Mit den derzeitigen Techniken wäre ein Wachstum nicht möglich. Wir brauchen alternative Kraftstoffe. Das heißt, wir müssen wegkommen vom Öl. Wir brauchen CO2-freie Kohleverstromung. Das alles erfordert Techniken, die wir heute noch nicht haben. Das heißt, wir müssen noch sehr viel mehr Geld investieren, um dieses Vorhaben voranzubringen.
tagesschau.de: Begibt sich Deutschland derzeit auf einen guten Weg?
Kemfert: Deutschland investiert viel in erneuerbare Energien und das ist auch richtig. Aber Deutschland macht etwas völlig falsch: Es steckt zu wenig Geld in Forschung und Entwicklung. Deswegen sind auch die neuen Techniken, die wir eigentlich schon heute wollten, noch nicht im Einsatz. Das ist höchst bedauerlich. Um den Klimaschutz voranzubringen, müssten wir im günstigsten Fall neun Milliarden Euro jährlich investieren. Die teuerste Variante wären 16 Milliarden. Das sind bis zu 70 Euro pro Bundesbürger im Jahr.
tagesschau.de: Sind wir also bald nicht mehr führend auf dem Gebiet?
Kemfert: Momentan sind wir führend, denn wir haben sehr viel getan im Bereich von austauschbaren Energien. Es kann natürlich sein, dass die USA jetzt kräftig nachziehen und uns den Rang ablaufen. Aber momentan sind wir führend und ich hoffe, dass das auch so bleibt.
Das Interview führte Anja Mößner, tagesschau.de