Mahr Fertigungsmesstechnik "Mussten Mitarbeiter entlassen"
Die Suche nach neuen Kunden außerhalb der kriselnden Autoindustrie ist auf gutem Weg, meint Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Keidel. Dennoch musste der Messtechnikspezialist Mahr beim Personal massiv streichen: 100 Mitarbeiter mussten in Deutschland gehen.
Teil 1: Mahr Fertigungsmesstechnik
Das Familienunternehmen aus Göttingen ist weltweit der drittgrößte Hersteller mit einem kompletten Angebot an Fertigungsmesstechnik. Mahr verkauft Präzisionsmessmaschinen, mit denen sich Längen-, Form- und Oberflächenabweichungen an Werkstücken messen lassen, vor allem an die Automobilindustrie und den Maschinenbau. Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Keidel sucht mit einer geänderten Strategien nach neuen Kunden in anderen Branchen.
Thomas Keidel: "Die Einbrüche bei den Aufträgen sind unverändert. Ich sehe da aber durchaus auch eine positive Seite drin - so schwer es mir fällt, die zu sehen: Es ist nicht mehr schlechter geworden. Es hat sich auf minus 50 Prozent eingependelt.
Rückblick auf ein Jahr Krise
Unsere Strategie, den Vertrieb zu stärken, um neue Kunden zu finden, ist aber auf dem besten Weg. Wir haben den Vertrieb wie auch den Service nie in die Kurzarbeit geschickt. Wir treten jetzt als Anwendungsspezialist auf – das ist für uns eine strategische Neuausrichtung. Wir sagen den potenziellen Kunden: Erkläre uns dein Problem und wir suchen eine passende Lösung. Der Kunde bringt uns sein Produkt, zum Beispiel eine Kurbelwelle und sagt uns, was zu messen ist. Und wir bieten dann die Lösung: nicht nur die Messtechnik, sondern auch Schulungen für den Kunden und den Service. Das kommt sehr gut an. Früher haben wir mehr Standard verkauft.
Mitarbeiter: 1450 weltweit, davon 750 in Deutschland
Umsatz 2008: 190 Mio. Euro
gegründet: 1861
Dennoch mussten wir das Personal weiter reduzieren. Wir haben nicht nur die Kurzarbeit ausgeweitet: Derzeit 50 Prozent in Kurzarbeit. Einen Standort haben wir geschlossen: In Saarbrücken hatten wir ein Spezialprodukt hergestellt, die 55 Mitarbeiter dort mussten wir leider entlassen. Insgesamt haben wir in Deutschland zirka 70 Mitarbeiter entlassen und 30 weitere über Vorruhestand und Altersteilzeit abgebaut. Mit unserem Betriebsrat haben wir einen Sondertarifvertrag geschlossen: Der sieht weniger Urlaubs - und Weihnachtsgeld vor. Außerdem: Fluktuation wird nicht ersetzt, Alterteilzeit wird ausgeschöpft, Vorruhestand wird gefördert. Durch das Paket werden wir 32 Millionen Euro über zwei Jahre, also 2009 und 2010, am Standort Göttingen einsparen. Der Betriebsrat und die IG Metall haben dabei sehr kooperativ und konstruktiv mitgearbeitet, so dass wir sehr schnell Klarheit und Planungssicherheit hatten.
Mir war vor der Krise klar, dass es mit dem Aufwärtstrend der letzten Jahre nicht so weitergehen würde. Eigentlich hätten wir uns damals schon vorbereiten müssen und uns mehr Flexibilität beim Personal schaffen. Da waren wir nicht gut aufgestellt. Eine unserer fundamentalen Lehren aus der Krise für die Zukunft ist, dass wir die Belegschaft künftig immer mit zehn bis 15 Prozent Beschäftigungsverträgen versorgen, die wir von heute auf morgen lösen können. Das geht nicht von jetzt auf gleich, weil wir nämlich erst die Arbeitsprozesse verändern müssen. Bei uns arbeiten sehr viele Facharbeiter in der Produktion, da stehen keine Montageautomaten. Wir müssen also die Prozesse so vereinfachen, dass wir einen Leiharbeiter dort dranstellen können. Das ist die Aufgabenstellung für die Zukunft: Flexibler zu werden auf der Arbeitskräfteseite.
Wie geht es weiter?
Für uns ist ja die entscheidende Frage: Wann geht es denn wieder los? Wir spüren noch nichts im Auftragseingang. Wir sind in der Messtechnik aber auch am Ende der Kette: Zunächst muss man mal ein Stück Stahl absägen, dann muss man es bearbeiten, montieren und dann kann man es erst messen. Wir sind also ganz am Schluss erst dran. Wenn es vorne losgeht, dauert es erfahrungsgemäß sechs bis neun Monate, bis es bei uns ankommt.
Jetzt planen wir gerade für 2010. Ich rechne mit einem leichten Aufschwung von fünf bis zehn Prozent. Die Autoindustrie wird nicht mehr die überragende Bedeutung für uns haben wie vor der Krise. Ich möchte nicht mehr so abhängig sein. Da arbeiten wir hart dran. Obwohl ich denke, dass sie sich wieder berappeln wird. Allerdings wird sie kleinere Autos produzieren müssen. Das ist dann für uns wieder eine Chance, neue Aufträge zu bekommen. Denn diese Produktionslinien müssen ja neu ausgestattet werden. Noch hört man da allerdings nichts. Ich denke, es wird mindestens vier, fünf Jahre dauern, ehe wie wieder den Zustand erreicht haben, den wir letztes Jahr hatten.
Wir haben Schwierigkeiten mit unseren Banken. Sie sind sehr vorsichtig geworden, haben die Konditionen verschlechtert und beschäftigen uns mit Dingen wie monatlichem Reporting (Berichten an die Bank). Ich verstehe die Banken ja auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen: Die Banken sind so stark unterstützt und gestützt von Regierungsseite, dass ich ein bisschen mehr Risikobereitschaft erwarte. Gerade bei einem Unternehmen, mit dem man schon seit 25 Jahren zusammenarbeitet und das eigentlich seine Schulaufgaben gemacht hat - wir haben die Krise ja nicht selbst verschuldet. Die Bank weigert sich zum Beispiel, uns frisches Geld zu geben. Da das Wort Partner zu verwenden, da tue ich mich ein bisschen schwer.
Was bringt die neue Regierung?
Was ich mir von der neuen Regierung vor allem erhoffe, ist Planungssicherheit. Möglichst keine neuen Gesetze, die uns beschäftigen und verunsichern. Keine neuen Regeln und Spielregeln. Bitte keine weitere Regulierung, sondern mehr Deregulierung. Als Unternehmer habe ich mir immer vorgenommen, selber klar zu kommen und nicht andere zu bitten, für mich den Weg zu bereiten. Mir wäre es am liebsten, wenn mich die Regierung diesbezüglich einfach in Ruhe lässt."
Protokoll: Claudia Witte, tagesschau.de
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