Hinweise auf Lebensmitteln und Smartphones Was bringt Hendricks Öko-Etikett?
Künftig soll ein Öko-Etikett darauf hinweisen, ob Elektrogeräte oder Lebensmittel die Umwelt belasten oder Sozialstandards verletzen. Was bedeutet dieser Plan des Umweltministeriums für Verbraucher? Und bringt das Etikett wirklich etwas? tagesschau.de gibt Antworten.
Was genau ist geplant?
Verbraucher sollen nach Vorstellung von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks künftig mehr Informationen darüber erhalten, wie nachhaltig ein Produkt ist. Dazu sollen Waren, deren Herstellung besonders viele oder seltene Ressourcen verbraucht oder die besonders umweltschädlich ist, mit einem "zweiten Preisschild" versehen werden. "Der Preis eines Produkts sollte die tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten widerspiegeln", betonte die Ministerin.
Konkret heißt das: Bei elektronischen Geräten wie Handys oder Tablets etwa sollen Käufer darüber Informationen bekommen, ob Erze wie Coltan eingesetzt werden - denn dieses wird zudem unter meist sehr schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen in Afrika gefördert. Außerdem soll das Etikett bei Lebensmitteln zum Einsatz kommen. Wenn deren Herstellung die Umwelt massiv schädigt, könnten sie ebenfalls mit einem solchen Label versehen werden. Dazu zählt beispielsweise Rindfleisch aus Massentierhaltung, denn bei dieser Art der Aufzucht werden große Mengen an Treibhausgas freigesetzt. "Wir müssen es Verbrauchern erleichtern, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen", sagte Hendricks.
Ein großer Teil der weltweiten Coltan-Reserven werden in Zentralafrika vermutet.
Dirk Petersen, Umweltexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg, begrüßt das Vorhaben. "Es ist sinnvoll, weil dadurch ein Bewusstsein bei den Verbrauchern geschaffen wird, welche Werte wirklich in einem Produkt stecken." Allerdings bemängelt er, dass sich die eigentlichen Probleme dadurch kaum lösen lassen. "An den Produktionsbedingungen, gerade bei Produkten aus dem Ausland, dürfte das erstmal nichts ändern."
Was bedeutet das für Verbraucher?
Beim Kauf im Supermarkt oder im Technikgeschäft ändert sich nichts, Produkte werden nicht teurer oder billiger durch das Etikett. Auch an den Produkten selbst verändert sich wenig. Laut Plänen der Ministerin wird es lediglich einen kleine zusätzlichen Hinweis auf der Verpackung geben.
Nach Einschätzung von Experte Petersen geht es vor allem darum, die Kunden für die Folgen ihrer Kauf-Entscheidung zu sensibilisieren. "Viele Menschen wissen beispielsweise nicht, welche Materialien in ihren Smartphones verbaut sind und unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden", sagt der Verbraucherschützer. Die Menschen würden sich dann eher die Frage stellen, ob sie wirklich alle zwei Jahre ein neues Smartphone brauchen, wenn sie dadurch indirekt Ausbeutung in anderen Ländern befördern. "Das Etikett könnte dazu führen, dass wir die Dinge, die wir kaufen, mehr wertschätzen, egal ob es sich um ein Tablet oder um ein Rindersteak handelt."
"Wir müssen es Verbrauchern erleichtern, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen", sagt Ministerin Hendricks.
Was soll das Etikett überhaupt bringen?
"Grundlegende Veränderungen halte ich für unabdingbar", um die Umwelt nachhaltig und wirkungsvoll zu schützen, sagte Hendricks. In ihrem Programm fordert sie eine Vielzahl von Maßnahmen zum Umsteuern etwa im Klimaschutz, im Steuersystem, im Verkehr, in der Landwirtschaft und auch im Konsum. Beim Ressourcenschutz sei es "am wichtigsten, mit Elektrogeräten zu beginnen", sagte die Ministerin. Kunden sollen künftig auf einen Blick sehen, aus welchen Stoffen sie bestehen, wie lange sie halten und ob sie zu reparieren sind.
Produzenten sollen Vorgaben für die Reparaturfähigkeit und "Aufrüstbarkeit" von Geräten einhalten. Außerdem sollen sie verpflichtende Aussagen zur Haltbarkeit machen.
Ein großes Problem sind die Rohstoffe, die in technischen Geräten verwendet werden. Bei Smartphones und Computern ist immer das Erz Coltan im Spiel. Gewonnen wird dieser wichtige Rohstoff oft in Afrika, genauer in der Demokratischen Republik Kongo. Dort herrschen nach übereinstimmenden Berichten von Menschenrechtsgruppen und Nichtregierungsorganisationen schreckliche Arbeitsbedingungen. Kinderarbeit, fehlender Arbeitsschutz und kriminelle Banden, die dadurch ihre Machenschaften finanzieren, sind an der Tagesordnung.
"Das Problem dabei: Ohne Coltan läuft kein Smartphone", sagt Umweltexperte Petersen. "Deshalb stellt sich die Frage, ob es überhaupt eine Alternative gibt." Seine Hoffnung ist deshalb, dass die Menschen mit diesem Wissen ihr Telefon nicht mehr so häufig wechseln, "denn ein Telefon hat durchaus eine Lebensdauer von einigen Jahren. Man braucht nicht alle zwei Jahre ein neues, zumal sich technisch auch gar nicht mehr so viel verändert."
Was verändert sich bei Lebensmitteln?
Der Herkunft und Produktionsweise von Lebensmitteln misst Hendricks eine große Bedeutung bei. "Wir müssen zu einer umweltverträglichen Tierhaltung kommen." Die Menschheit setze sich einem hohen Risiko negativer ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Folgen aus. Dazu zählten etwa verschmutzte Luft, Artensterben und eine Landwirtschaft, die "weder einer intakten Umwelt und Natur noch dem Tierwohl, noch dem Auskommen der Landwirte dienlich ist". Hendricks schlägt zudem eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel vor - denn deren Einsatz sei wegen der meist niedrigen Preise "nicht immer sachgemäß".
Auf Kotelettes und Steaks könnte nach den Plänen der Umweltministerin künftig ein "zweites Preisschild" prangen.
Landwirtschaftsexperten wie Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, lobten die Vorschläge: "Die Einführung eines Etiketts für Produkte, die die Umwelt schädigen, ist eine gute Idee". So verursache billiges Fleisch hohe Folgekosten für die Allgemeinheit durch Nitratbelastungen, Stallemissionen, Luftverschmutzung und daraus resultierende Gesundheitsprobleme. "Mehr Transparenz tut daher Not, auch für andere Bereiche wie umweltschädliche Produkte oder Geldanlagen", erklärte Oelmann.
Was plant das Umweltministerium noch?
Das Öko-Etikett ist Teil des "Integrierten Umweltprogramms 2030". Nach Hendricks Überzeugung lässt sich der ökologische Wandel "nur in einer breiten Allianz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gestalten". Deshalb fordert die Ministerin das Recht, Gesetze für andere Ressorts vorschlagen zu dürfen. Ähnlich den Möglichkeiten des Familienministeriums, eine Frauenquote in Aufsichtsräten einzufordern, könnte das Umweltministerium so zum Beispiel höhere Ökostandards in der Landwirtschaft verlangen. Außerdem sollten in Zukunft alle Gesetzesvorhaben - etwa im Verkehrsbereich - verpflichtend auf ihre Folgen für die Umwelt geprüft werden.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, auf den viele Vorschläge in dem Programm zurückgehen, hatte zuvor bereits erklärt, "eine zukunftsorientierte Erneuerung nicht nur beim Klimaschutz, sondern in zahlreichen weiteren Bereichen" sei notwendig. "Nur mit einer wirksamen Umweltpolitik kann der notwendige Wandel erreicht und Wohlstand dauerhaft gesichert werden", heißt es in einem entsprechenden Papier
Die Opposition begrüßt das Programm. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) lobte, es gehöre "zu dem Besten, was in der Großen Koalition erdacht wurde". Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter sagte, das Programm sei "gut und wichtig" - er habe aber wenig Hoffnung auf Umsetzung. Zu häufig seien Programme von Umweltministern von Kabinettskollegen entkernt worden. Aus der Union kam Kritik am Öko-Etikett: Das habe nichts mit Transparenz, sondern mit Entmündigung des Konsumenten zu tun, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU).
Grünen-Politiker Habeck lobt, das Programm gehöre "zu dem Besten, was in der Großen Koalition erdacht wurde".