Hintergrund

So eng vernetzt sind GM und Opel Eigentlich untrennbar

Stand: 27.02.2009 14:15 Uhr

Opel ist technisch, rechtlich und finanziell eng mit GM verwoben. Der Autobauer ist dabei - anders als Management und Betriebsrat behaupten - kein Teilunternehmen, sondern eher eine Marke.

Seit Monaten ringt das Opel-Management um den neuen Sanierungsplan. Mit in der Diskussion ist ein Konzept für die Eigenständigkeit des Unternehmens. Ohne drastische Einschnitte gibt es für Opel keine Zukunft. Doch eine Trennung von General Motors erscheint extrem schwierig und bisweilen auch gar nicht gewollt.  

Von Michael Immel, Ingo Nathusius und Laura Wagner, HR Frankfurt

Nach jüngsten Medienberichten beträgt der Geldbedarf bei Opel aktuell rund 3,3 Milliarden Euro. Zuvor war von 1,8 Milliarden Euro die Rede. Opel bestätigt zwar ein größeres Loch, nennt allerdings keine Zahlen. 

Der Bürgschaftsausschuss von Bund und Ländern beschäftigt sich mit dem Rettungsantrag des Autobauers Opel. Das Gremium besteht aus Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Vertretern des Finanzministeriums sowie der Länder, in denen das Unternehmen Werke hat.

Rein formell hat Opel noch keine Bürgschaft beim Bund beantragt. Gespräche laufen dennoch seit Monaten. Auch auf Länderebene wird über Hilfen nachgedacht. Für mögliche Bürgschaften gelten strenge Bedingungen. Der Staat will verhindern, dass für Opel ausgegebenes Staatsgeld an den Mutterkonzern General Motors (GM) fließen könnte.

Guttenberg: Erhebliche Verflechtung

Wie schwierig diese Gespräche sind, verdeutlichte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit ARD-aktuell: "Ich kann bislang nur auf das zurückgreifen, was mir in einigen Gesprächen dargelegt wurde: Der Verflechtungsgrad des Unternehmens scheint nicht unerheblich zu sein. Es gibt das große Konzept, das vom Mutterkonzern in den USA vorgelegt wurde. Darin wurde schon deutlich, dass es einen erheblichen Grad an unterschiedlichen Verflechtungen gibt."

Weit verzweigt
Nach Recherchen des Frankfurter ARD-Büros für tagesschau.de ist klar: Die Adam Opel GmbH mit Sitz im hessischen Rüsselsheim hat drei Eigentümer. Ein Blick in das Handelsregister im spanischen Saragossa verrät: An der Adam Opel GmbH (Rüsselsheim) beteiligt sind die GM Automotive Holdings (Saragossa/Spain) mit 64,3 Prozent; die GM Europe Holdings (Spain) mit 26,9 Prozent. Der Rest gehört der GM Corporation (Detroit/USA). 

Die Opel-Werke in Bochum und Kaiserslautern sind Zweigniederlassungen der Adam Opel GmbH (Rüsselsheim). Opel am Standort Eisenach ist hingegen eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft, und diese firmiert unter Opel Eisenach GmbH.

GM-Europa-Chef Carl Peter Forster steht der GM Europe AG mit Sitz in der Schweiz vor. Im Handelsregister des Kantons Zürich heißt es über den Zweck der AG: "Überwachung der Aktivitäten der Firmen des General Motors Konzerns in Europa, geschäftliche Beratung von Automobil- und anderen Unternehmungen, insbesondere von Firmen des General Motors Konzerns in Europa, Pflege von Beziehungen zu in- und ausländischen Behörden ..." - alles klassische Aufgaben, die eine Holding übernimmt.

Doch die Schweizer AG ist gar nicht die Spitze von GM in Europa, sondern - wie Opel - eine Tochtergesellschaft der GM Europe Holdings (Spain). 

Unklare Konzernstruktur

Viele deutsche Konzerne sind klar strukturiert und wie ein Tannenbaum aufgebaut. Ausländische Konzerne interessieren sich aber oftmals nicht für klare Strukturen. Betriebswirte und Steuerberater entscheiden, wie und wo der Konzern aufgestellt wird. Bemühungen, Opel aus dem GM-Konzern zu lösen, erleichtert das keineswegs.

Trotz der komplizierten Konzernstruktur ist der Rechtswissenschaftler der TU Darmstadt, Professor Uwe H. Schneider, überzeugt: "Wenn man ernsthaft will, könnte man das auseinander bekommen. Aber die Amerikaner werden sich massiv sträuben. Sie haben kein Interesse an der Herauslösung aus dem Konzern."

Lizenz- und Markenrechte, beispielsweise für das Opel-Signet, Markennamen wie Astra, Zafira oder Insignia sieht Schneider als "geringstes Problem". All das lasse sich vertraglich regeln und entflechten.

Viele Fragen völlig offen

Wo aber liegen die Rechte für Design und Marke der Adam Opel GmbH? Wer zahlt dafür an wen was? Welchen Hintergrund haben Zahlungen, die die Adam Opel GmbH Rüsselsheim für die Nutzung des Markennamens "Opel" an die Opel Eisenach GmbH zahlt? Diese und andere Fragen haben GM und Opel auf Anfrage des Frankfurter ARD-aktuell-Büros bislang nicht beantwortet.

Im Geschäftsbericht 2007 der Adam Opel GmbH sind als "Materialaufwand" unter anderem aufgeführt: "Lizenzaufwendungen von 633 Millionen Euro für die von GTO (Global Technologie Operations Corp. in Detroit) zur Verfügung gestellte(n) Technologien". Opel besitzt offenbar keine eigenen Patente mehr.

Ist Opel überhaupt groß genug? Es stellt sich die Frage, ob Opel in Deutschland oder Europa notwendige Kosteneffekte hinbekommt. Denn Autobauer müssen heute mit wenigen Plattformen große Stückzahlen produzieren, damit die Kosten pro Stück niedrig gehalten werden.

Opel stellt heute weniger als die Hälfte seiner Produktion in Deutschland her. Der größere Teil wird von GM-Töchtern im benachbarten Ausland gefertigt. Also nicht von der deutschen Adam Opel GmbH.

 

Der von GM im Februar in den USA vorgelegte Restrukturierungsplan befasst sich nur am Rande mit Europa. Angekündigt wird beschleunigte Restrukturierung. Wie diese für Europa aussehen soll, wird jedoch nur in Ansätzen ausgeführt. Die europäischen Partner verpflichtet GM zu Kostensenkungen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar. Ausgründungen oder Schließungen kostenaufwändiger Werke werden nicht ausgeschlossen.

Eine mögliche Lösung des Problems sieht GM laut Restrukturierungsplan in einer Beteiligung des deutschen Staates. Doch auch andere europäische Länder werden als mögliche Teilhaber genannt. Bis Ende März soll ein Beschluss vorliegen.

Die Achse Detroit-Washington

Die USA könnten künftig aufgrund eines Staats-Darlehens in Höhe von 13,4 Milliarden Dollar Aktienanteile am GM-Konzern halten. Dafür spricht, dass die USA laut Gesetz Anspruch auf Garantien in Höhe von bis zu 20 Prozent des Darlehens hat. Praktisch heißt das: bis zu 2,68 Milliarden Dollar. Diese Sicherheiten werden durch Aktien ohne Stimmrecht garantiert. Welche Aktien dies sind, ist nicht bekannt.

Capitol in Washington

Der amerikanische Staat ist an GM beteiligt - mit bis zu 20 Prozent.

Finanziell ist Opel Deutschland eng mit dem Mutterkonzern verflochten. Einerseits kann sich Opel nicht wie normale Unternehmen durch eigene Erträge finanzieren. Offenbar betreibt General Motors einen sogenannten "Cash Pool". Dabei werden alle flüssigen Geldmittel zentral verwaltet und stehen nicht zunächst den jeweiligen operativen Tochterunternehmen zur Verfügung.

GM kurz vor Konkurs

Die flüssigen Geldmittel im Konzern reichen aber nicht. Mutterkonzern General Motors ist akut von Konkurs bedroht. Laut dem Bericht zum vierten Quartal 2008 überlebt der Konzern derzeit nur durch die Milliardenzahlungen des amerikanischen Staates. Geld zur Finanzierung einzelner Tochterunternehmen in Europa fehlt.

Vernetzt in beide Richtungen

Zudem ist die deutsche Adam Opel GmbH selbst an der konkursgefährdeten Muttergesellschaft in den USA beteiligt. Laut dem jüngsten vorliegenden Geschäftsbericht der deutschen Gesellschaft von 2007 hat Opel Deutschland Schuldscheine der General Motors Corporation über 300 Millionen Euro in den Büchern. Nach einer früheren Auskunft des Finanzgeschäftsführers von Opel, Marco Molinari, ist dieser Betrag zwar im Jahr 2008 gesenkt worden, aber noch immer ist Opel über die Schuldscheine direkt finanziell an der Konzernmutter beteiligt. Anleihen und Schuldscheine von General Motors gelten in der Finanzwelt als sehr unsicher.

Europäische AG mit US-Beteiligung?

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz verteidigte in der ARD das Bündnis mit den Amerikanern. "Es wird kein hundertprozentiges Heraustrennen aus General Motors geben", sagte er. Alle Wurzeln zu GM zu kappen, das wäre vollkommen falsch und fatal, so Franz. Opel brauche insbesondere beim Einkauf weiter eine Allianz mit GM. Dem Gesamtbetriebsratschef ist klar, dass sich Opel auf harte Zeiten einstellen muss. Ein steiniger Weg, der nicht ohne Arbeitsplatzabbau funktionieren wird.

Opel könnte - gemeinsam mit der britischen Schwestergesellschaft Vauxhall - künftig die Rechtsform einer europäischen Aktiengesellschaft tragen. Im Gespräch ist, dass GM sich an der Gesellschaft mit 30 Prozent beteiligen wolle. Rüsselsheim könnte dann Sitz der Zentrale werden.