Interview

Interview zur Schuldenkrise "Portugal darf nicht nur sparen"

Stand: 08.09.2012 02:30 Uhr

Wie stehen Portugals Chancen, sich trotz des Sparkurses wirtschaftlich zu erholen? Gut, glaubt Ökonom Claus Friedrich Laaser vom IfW Kiel. Das Land habe eine bessere Industriebasis als Griechenland. Allerdings sei ein Strukturwandel erforderlich, um im Wettbewerb zu bestehen, sagt er im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Hat Portugal bessere Chancen als Griechenland aus der Krise herauszukommen?

Claus Friedrich Laaser: Ja, ich glaube Portugal hat bessere Chancen als Griechenland. Das Land muss nicht erst eine neue Wachstumsphilosophie entwickeln. Man muss sich dort eigentlich nur erinnern an die Phase unmittelbar nach dem Eintritt in die Europäische Gemeinschaft 1986. Damals ist es Portugal gelungen, relativ rasch durch seine günstigen Lohnkosten und durch die vergleichsweise komfortable Produktivität Direktinvestitionen aus dem Ausland anzulocken. Zu jener Zeit war Portugal fast so eine Art "Angststandort" in Europa. Überall in Westeuropa hat man arbeitsintensive Produktionen nach Portugal ausgelagert. Die Folge war, dass Portugal in jener Zeit gegenüber den anderen Ländern aufholen konnte.

Zur Person
Claus Friedrich Laaser arbeitet seit 1983 für das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Der promovierte Ökonom veröffentlichte kürzlich eine ausführliche Analyse zur Krise in Portugal und anderen südeuropäischen Ländern.

tagesschau.de: Welche Pluspunkte hat Portugal?

Laaser: Wir haben in Portugal eine breitere Industriebasis als in Griechenland. Und die Unternehmen in Portugal sind auch besser aufgestellt, weil sie besser in internationale Produktionsnetzwerke eingebunden sind. Zwei weitere Punkte, die für Portugal sprechen: der doch noch relativ breite Konsens in der Gesellschaft, dass man etwas ändern muss, dass man Reformanstrengungen unternehmen muss. Und es gibt dort auch eine Verwaltung, der man zutrauen kann, dass sie politisch beschlossene Reformen auch umsetzt. Das alles sind Punkte, von denen ich glaube, dass sie für Portugal sprechen.

tagesschau.de: Was sind die Ursachen und welche Wege aus der Krise gibt es für Portugal?

Laaser: Portugal darf nicht nur sparen. Das ist etwas, was sicherlich auch unabdingbar ist. Aber andererseits darf man nicht vergessen, dass es sich hier um eine Strukturkrise handelt. Portugal hat nämlich versäumt, den Strukturwandel in Gang zu setzen, als mit der Öffnung der mittel- und osteuropäischen Reformstaaten Konkurrenz für sein traditionelles Geschäftsmodell aufkam: Plötzlich standen Standorte bereit, wo ebenfalls zu niedrigen Lohnkosten und mit hoher Produktivität produziert werden konnte. Dann hat man eben nicht mehr nach Portugal verlagert, sondern in die Reformstaaten. Dann kam auch die Globalisierung ins Spiel, mehr und mehr Schwellenländer boten sich als Produktionsstandorte an. Portugal ist trotzdem bei seinem alten Modell geblieben. Es gibt dort weiterhin eine starke Dominanz arbeitsintensiver Produktionen, während der Strukturwandel nicht unternommen wurde. Insofern ist ein Teil des portugiesischen Programms, hier etwas zu ändern und diesen Strukturwandel nachzuholen.