EU-Hilfen für Portugal sollen bis Mitte Mai stehen 80 Milliarden Euro im Schnellverfahren
Es muss schnell gehen - bis Mitte Mai soll das Hilfspaket für Portugal stehen. Darauf haben sich die Finanzminister der Europäischen Union verständigt. Mit rund 80 Milliarden Euro rechnet EU-Währungskommissar Rehn. Klar ist bereits auch: Auf Portugal kommen drastische Einschnitte zu.
Die Finanzhilfen für das hochverschuldete Portugal sollen so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Das kündigte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker nach einem Treffen der Euro-Finanzminister im ungarischen Gödöllö an. Das Hilfspaket solle bis Mitte Mai stehen.
EU-Währungskommissar Olli Rehn bezifferte den möglichen Bedarf des Landes aufgrund erster Schätzungen auf 80 Milliarden Euro. Für eine genauere Angabe sei es aber noch zu früh. Zunächst müssen Experten von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) ermitteln, wieviel Geld Portugal genau braucht.
Klar ist, dass die EU in den Beratungen massiven Druck auf das Land ausübt. Trotz der innenpolitischen Krise und einer nur geschäftsführenden Regierung wird erwartet, dass das Land schnell ein striktes Sparprogramm zuwege bringt. "Es liegt an ihnen", sagte der finnische Ressortchef Jyrki Katainen. Das kommende Sparpaket müsse härter als das vorige ausfallen, das im März am Widerstand der portugiesischen Opposition gescheitert war. Dabei werde es darauf ankommen, nicht nur die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Zudem seien strukturelle Reformen nötig, sagte Katainen.
Opposition soll eingebunden werden
Da die portugiesische Regierung seit zwei Wochen nur noch geschäftsführend im Amt ist, sollen die Verhandlungen nach Angaben Rehns auch mit den portugiesischen Oppositionsparteien geführt werden. Letzte Details der Hilfen sowie des portugiesischen Spar- und Reformprogramms, das im Gegenzug umgesetzt werden muss, sollen demnach nach den Neuwahlen am 5. Juni geklärt werden. Das Hilfspaket soll dann nach der Wahl greifen.
Zuletzt war unklar, ob die Regierung vor den Neuwahlen verbindlich ein Anpassungs- und Reformprogramm aushandeln kann. Dieses ist die Bedingung für Kredite. Nach Ansicht von Verfassungsexperten in Portugal ist das möglich, wenn der Staatspräsident und alle großen Parteien den Sparplänen verbindlich zustimmen.
Hoffen auf zügige Verhandlungen
Auch Portugal will die nötigen Verhandlungen mit der EU und dem IWF rasch abschließen. "Wir sollten schnell wie möglich eine Vereinbarung finden", sagte Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos. "Ich bin sicher, dass wir die Hilfe erhalten. Portugal wird in der Lage sein, seine Verpflichtungen zu erfüllen." Spaniens Finanzministerin Elena Salgado äußerte erneut die Ansicht, dass ihr Land nicht von den Problemen Portugals angesteckt werden könne. Die beiden Nachbarländer sind wirtschaftlich eng verflochten. Portugal sei das letzte Land, das Hilfe brauche, sagte die Spanierin.
Trotz der mahnenden Worte in Ungarn wird erwartet, dass Portugal Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds bekommen wird, der im Moment Notkredite über rund 250 Milliarden Euro vergeben kann. In dem Fonds sei genug Geld, um dem Land zu helfen, sagten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte bereits "schnellstmögliche" Hilfe zugesagt.
Antrag offiziell eingereicht
Portugal hatte in der Nacht zum Freitag den bereits angekündigten Antrag auf Milliardenhilfen offiziell bei der EU-Kommission in Brüssel eingereicht. Währungskommissar Olli Rehn sagte dazu in Gödöllö: "Ich begrüße diesen verantwortungsvollen Schritt." Wieviel Finanzhilfe Lissabon benötigt, wurde nicht benannt. In der EU ist eine Summe zwischen 70 und 80 Milliarden Euro im Gespräch. Der Antrag auf Hilfen des Euro-Rettungsschirms hatte schon zuvor überwiegend positive Reaktionen ausgelöst. Die Europäische Zentralbank (EZB) zeigte sich erfreut über den Hilfsantrag aus Lissabon. "Wir haben die portugiesischen Behörden ermutigt, um Unterstützung nachzufragen", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Frankfurt am Main. Auch die EU-Kommission begrüßte die Entscheidung der portugiesischen Regierung. "Das ist ein verantwortungsvoller Schritt für die Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum", sagte Währungskommissar Olli Rehn.
Kein EU-Sondergipfel notwendig
Für die Freigabe von Mitteln des Euro-Rettungsschirms ist EU-Angaben zufolge kein Sondergipfel der Europäischen Union notwendig. Die Euro-Gruppe und der EU-Finanzministerrat könnten alle notwendigen Entscheidungen treffen, teilte die ungarische Regierung mit, die derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat.
Eurostaaten mit massiven Haushaltsproblemen können seit dem vergangenen Jahr mit Hilfe des Euro-Rettungsschirms eine drohende Staatspleite abwenden. Kernstück ist der Rettungsfonds EFSF in Luxemburg. Er gibt in einem Notfall an den Finanzmärkten Anleihen heraus, für die die anderen Euro-Staaten bürgen, und reicht das erlöste Geld an den hilfesuchenden Staat weiter. Deutschland steht dabei für mehr als ein Viertel der garantierten Summe gerade. Tatsächliche Kosten für den deutschen Staatshaushalt entstünden aber erst dann, wenn Portugal oder ein anderes hilfesuchendes Land das Geld nicht fristgerecht zurückzahlen kann, das es mit Hilfe des EFSF erhalten hat.
Bisher ist Irland das einzige Land, das den Rettungsfonds in Anspruch nimmt. Europäer und IWF schnürten im vergangenen November ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. Für Griechenland wurde im vergangenen Jahr ein separates Paket mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro geschnürt.
Portugal hat knapp elf Millionen Einwohner und trat 1999 der Euro-Zone bei. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt mit 16.000 Euro pro Jahr bei etwa 78 Prozent des EU-Durchschnitts. Im Jahr der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 schrumpfte die portugiesische Wirtschaft um 2,7 Prozent. 2010 ging sie mit einem Plus von 1,4 Prozent wieder auf Erholungskurs. Wegen der Sparmaßnahmen der Regierung und Steuererhöhungen erwartet die portugiesische Zentralbank 2011 erneut einen Einbruch um 1,4 Prozent.
Rund zwei Drittel des portugiesischen Wirtschaftswachstums entfallen auf den privaten Konsum, weniger als ein Drittel auf den Export. Der Privatverbrauch wird aber durch die hohe Arbeitslosigkeit eingeschränkt, die mit rund elf Prozent auf dem höchsten Stand seit drei Jahrzehnten liegt. Drei Viertel seines Außenhandels wickelt das Land mit der EU ab. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei rund 1100 Euro brutto.
Das Defizit im Staatshaushalt wurde im vergangenen Jahr von mehr als neun auf gut sieben Prozent des BIP gedrückt - Richtwert in der EU sind drei Prozent. Dieses Jahr soll es auf 4,6 Prozent sinken und dann 2012 wieder die Drei-Prozent-Marke erreichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Konsolidierungspolitik weitergeht. Dafür fand die sozialistische Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Socrates keine Mehrheit mehr im Parlament, weshalb sie bis zu den voraussichtlich im Juni stattfindenden Neuwahlen nur geschäftsführend im Amt ist.