RWE-Konzernumbau Die neue Tochter soll's richten
Ein radikaler Umbau soll den Energiekonzern RWE aus der Krise helfen. Eine neue Tochtergesellschaft für erneuerbare Energien nimmt heute ihren Betrieb auf. Doch laut Experten ist es noch ein weiter Weg, bis eine Wende gelingen kann - wenn überhaupt.
Von Demian von Osten, WDR
Wenn Firmen einen Neustart planen, denken sie sich meist einen flotten neuen Namen aus, lassen ein schickes Logo entwickeln und rühren ordentlich die Werbetrommel. Der Neustart von RWEs Tochtergesellschaft sieht anders aus. Die Firma trägt bislang den schlichten Arbeitstitel "RWE International SE", ein Logo gibt es nicht, und zum Start der Firma laufen keine flotten Werbespots. "Im Sommer wird es einen neuen Namen geben, mit dem wir dann den Börsengang vorbereiten", heißt es aus der RWE-Zentrale in Essen, wo auch das neue Unternehmen seinen Sitz hat.
Es ist ein Schritt, den andere Großkonzerne vorgemacht haben: Die "RWE International SE" umfasst nur die Bereiche des Konzerns, von denen sich RWE langfristig noch Gewinne verspricht: Das sind die erneuerbaren Energien, aber auch Stromnetze und der Vertrieb.
Insider lächeln über große Pläne
Zwei Drittel aller RWE-Mitarbeiter sollen einmal in dieser Gesellschaft arbeiten. Im Herbst sollen zehn Prozent an die Börse gebracht werden. Neues Geld für die klammen RWE-Kassen. "Wir wollen im tiefgreifenden Wandel unserer Branche nicht nur erfolgreich mitschwimmen. Wir wollen den Energiemarkt der Zukunft gestalten und Vorreiter sein", lässt sich Konzernchef Peter Terium zum Start der Tochterfirma selbstbewusst von seiner Pressestelle zitieren. Insider können darüber nur lächeln. Denn derzeit sieht alles nach dem Gegenteil aus.
Altlasten drücken - Personalabbau angekündigt
Nur fünf Prozent des von RWE erzeugten Stroms stammt aus erneuerbaren Energien, der allergrößte Teil aus fossilen Energieträgern wie Braunkohle, Steinkohle, Gas, der Rest aus Atomkraft. "Der Konzern hat keine Erfahrung im Bereich erneuerbare Energie, insofern ist dem Ganzen mit großer Skepsis zu begegnen", sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Man kann zwar auch mit erneuerbaren Energien Geld verdienen, das ist aber im Moment noch nicht der Fall. Der Konzern hat viele Altlasten und muss seine Schulden begleichen."
Und diese Schulden sind nicht klein: Über 25 Milliarden Euro. Erst vergangenes Wochenende hat der Konzern einen weiteren Personalabbau angekündigt: 2000 Stellen sollen bis 2018 wegfallen. Aktionäre erhalten keine Dividende, was vor allem Städte und Gemeinden mit RWE-Aktien trifft. Bei der Bilanzpressekonferenz Anfang März versprach Terium: "Wir verteilen nicht das Geld heute, das wir nicht haben. Wir arbeiten lieber daran, dass wir morgen wieder etwas verteilen können." In wenigen Wochen wird er das den Aktionären auf der Hauptversammlung erklären müssen.
RWE-Chef Terium "steht für das alte Geschäftsmodell"
RWE-Chef Terium wird auch die neue Tochtergesellschaft leiten und sich dafür langfristig aus dem Mutterkonzern zurückziehen. Ein Neuanfang? Markus Dufner, Geschäftsführer vom Dachverband Kritischer Aktionäre glaubt nicht daran. Seit 30 Jahren beobachtet der Verein kritisch Großkonzerne. "RWE müsste auch eine personelle Erneuerung vorantreiben. Stattdessen werden alte Vorstände, die für den Niedergang von RWE mitverantwortlich sind, mit horrenden Vorstandsgehältern bedient", sagt Dufner. Teriums Jahresgehalt für 2014 wurde vom Konzern mit 480.000 Euro angegeben, jedoch kommen erfolgsabhängige Zahlungen in mindestens der gleichen Höhe hinzu. "Peter Terium steht für das alte Geschäftsmodell", kritisiert Dufner.
Goldene Zeiten sind vorbei
Das alte Geschäftsmodell stammt aus den goldenen Zeiten der großen Energieversorger RWE, E.on, Vattenfall und EnBW. Jetzt haben alle Probleme mit Folgekosten zum Beispiel von stillgelegten Atomkraftwerken. "Der Ausbau von Erneuerbaren Energien sorgt dafür, dass die Stromerzeugung sich auf immer mehr Stromerzeuger verteilt", erklärt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Zum Nachteil der Großkonzerne. "Kein Stromversorger wird noch in die goldenen Zeiten von früher zurückkehren."
Frondel sieht ebenfalls viele Fehler im Management von RWE, wirbt aber auch für Verständnis für die Konzerne. "Vor dem Atomunfall in Fukushima hat die Politik die Laufzeiten der Atomkraftwerke um zwölf Jahre verlängert. Der Beschluss war erst ein halbes Jahr alt, bevor die Kehrtwende kam. Solche Kehrtwenden machen es für solch ein Unternehmen sehr schwer, langfristig zu planen."
Konzernumbau aus der Not heraus
Kollegin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin widerspricht: "Die Energiewende ist kein neues Projekt, das wurde ja schon im Jahre 2000 entwickelt, und da hat RWE viel zu spät reagiert", sagt sie. Damals wurde das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) beschlossen. 16 Jahre später schreiben alle großen Energiekonzerne in Deutschland Verluste. Managementfehler, die sich jetzt rächten, glaubt Kemfert.
Ob es RWE gelingt, seinen eigenen Schuldenberg abzubauen, weiß heute keiner. Kemfert begegnet dem Umbauplan mit viel Skepsis: "Der Konzern hat die Entscheidung zum Umbau ja nicht aus einer Grundüberzeugung getroffen, sondern er ist aus der Not heraus geboren. Und es steht nicht wirklich eine Strategie dahinter."