Neue Bankgesetzregelung in der Schweiz Keine Schatzkammern mehr für Diktatoren
Lange Jahre hatten korrupte Diktatoren leichtes Spiel, in der Schweiz Geld zu bunkern, das sie der Bevölkerung gestohlen hatten. Ein neues Gesetz ermöglicht es nun, solches Raubgeld zu beschlagnahmen. Das Vermögen von Haitis Ex-Diktatoren Duvalier wurde bereits gesperrt.
Von Pascal Lechler, ARD-Hörfunkstudio Genf
Wie viel Geld Diktatoren in der Schweiz gebunkert haben, weiß keiner so genau - Schätzungen gehen aber von mehr als 150 Milliarden Dollar aus. Jahrelang haben Mobutu, Duvalier und Co Geld, das sie ihren Völkern gestohlen hatten, auf Nummernkonten in der Schweiz geparkt. Das strenge Schweizer Bankgeheimnis machte es möglich. Jetzt tritt in der Schweiz ein neues Gesetz in Kraft, mit dem die Schweizer Raubgeld schneller beschlagnahmen und an die rechtmäßigen Besitzer überstellen können.
Die Rechtslage bisher...
Bislang sei es so gewesen, dass die Eidgenossen nur hätten reagieren können, wenn das betroffene Land ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Diktator eingeleitet habe, erklärt Valentin Zellweger, der Direktor der Schweizerischen Direktion für Völkerrecht.
"Wir haben in letzter Zeit gesehen, dass es zunehmend Staaten gibt, die leider nicht mehr in der Lage sind, solche Strafverfahren durchzuführen. Um zu vermeiden, dass aus diesem Grund die Gelder an die Familien oder an die betroffenen Personen zurückgehen, wollten wir ein Gesetz vorschlagen, welches erlaubt, dass die Schweiz unter ganz genau definierten Bedingungen solche Gelder selber einziehen und an die betroffene Bevölkerung zurückschieben kann", so Zellweger weiter.
Nach altem Recht musste die Schweiz beweisen, dass der Diktator unrechtmäßig zu seinem Geld gekommen war. Das war nicht nur mühsam, sondern oft auch unmöglich. Und es führte letztlich dazu, dass die Schweiz fast acht Millionen Franken an die Familie von Mobutu Sese Seko, des früheren Präsidenten von Zaire, zurückzahlen musste.
...und was sich ändern soll
Mit dem neuen Gesetz muss ab sofort der Potentat beweisen, dass er das Geld rechtmäßig erworben hat. Zellweger erklärt, dass die neue Rechtslage zur Folge haben wird, dass die Gelder der jeweiligen Bevölkerung zugutekommen werden: "Wir werden Mechanismen finden, die absichern, dass das Geld tatsächlich auch der Bevölkerung zukommt und nicht in irgendwelchen Kanälen versickern wird."
Schon seit längerem bemühen sich die Schweizer Behörden, gestohlene Gelder zurückzugeben - in manchen Fällen mit Erfolg: So erhielten die Philippinen Millionen aus dem Marcos-Besitz. Nigeria bekam 700 Millionen Dollar zurück, die Diktator Sani Abacha geraubt hatte.
Kein Schlupfloch mehr für Duvalier
Im Fall der Reichtümer von Haitis Ex-Diktator Jean Claude Duvalier versagten aber die bisherigen Gesetze. Wegen Verjährung seiner Taten hätte die Schweiz eigentlich die Gelder an Duvalier überstellen müssen. Mit dem neuen Gesetz können sie blockiert und konfisziert werden, auch ohne eine formale Anklage des Diktators oder ein Rechtshilfegesuch. Das sei ein Fortschritt, wie die Fälle Kongo und Haiti zeigten, meint UN-Experte Jean Ziegler: "Die neue Regierung von Joseph Kabila ist so korrupt, dass sie nicht im Stande und nicht Willens ist, ein Rechtshilfegesuch auf Rückerstattung der Mobutu-Gelder einzureichen. In Haiti ist das Regime unter Präsident René Préval nicht viel besser, deshalb haben die Erben von Mobutu das Beutegeld, das Blutgeld erhalten. Und dieser schockierende Mechanismus soll jetzt gebrochen werden."
Der Fall Duvalier ist der erste, auf den das Gesetz angewandt wird. Es geht um sieben Millionen Franken. Aber auch die Tunesier könnten von der neuen Rechtslage profitieren.
Schweizer Regierung vom Erfolg überzeugt
Die Schweiz sieht sich mit dem neuen Gesetz als Vorreiterin, wenn es um Vermögen gestürzter Diktatoren geht. Man sei auf einem guten Weg, so Zellweger. "Die Hälfte aller je zurückgegebenen Gelder, die man nach internationalen und unabhängigen Zahlen nachvollziehen kann, kommen aus der Schweiz. Das heißt, die Schweiz hat die Hälfte aller je zurückgegebenen Gelder selbst zurückgegeben", erklärt er.
Grundsätzlich wird das Gesetz von Nichtregierungsorganisationen begrüßt. Marc Herkenrath von Alliance Sud bemängelt allerdings einen Passus im Gesetz, der die Möglichkeit einer gütlichen Lösung am Verhandlungstisch vorsieht:
"Tatsache ist, dass bis jetzt gütliche Einigungen mit den Machthabern nie funktioniert haben, sie wurden - wenn überhaupt - als Verzögerungstaktiken eingesetzt. Die Diktatoren haben im Verlauf der Verhandlungen immer mehr und mehr Geld verlangt und dann gerade rechtzeitig den Deal wieder platzen lassen, um so noch Zeit zu gewinnen, bis die Verjährungsfristen einsetzen."
Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, weist die Kritik zurück. Verhandlungen soll es nur in Ausnahmefällen geben und zwar nur, wenn die Gerichte zu keiner Lösung kämen, heißt es aus dem Außendepartement.