Dumpingstreit mit der EU Strafzölle verschärfen Chinas Solarkrise
Im Streit über mögliches Preisdumping chinesischer Solarfirmen will die EU offenbar ab Juni Strafzölle erheben. Chinas Hersteller stecken schon jetzt tief in der Krise und fürchten um ihre Existenz. Doch ihre Probleme sind hausgemacht.
Von Markus Rimmele, ARD-Hörfunkstudio Schanghai
Es ist eine Hiobsbotschaft für Chinas Solarhersteller. Jedes Jahr exportieren sie Solarprodukte im Wert von 21 Milliarden Euro nach Europa. Damit könnte es bald vorbei sein.
"Europa macht die Hälfte des Solar-Weltmarktes aus. Und den beliefert zu 80 Prozent China", sagt der Schanghaier Solar-Experte Yu Wenjun. "Wenn die Strafzölle gelten, werden sich chinesische Solarmodule nicht mehr verkaufen. Verbraucher kaufen bei gleichen Preisen lieber heimische Produkte. Da sieht es für die Chinesen schlecht aus", sagt er.
Seine Prognose: "Die kleineren Hersteller, vor allem wenn sie viel nach Europa exportieren, werden das kaum überleben."
Die Kleinen - aber auch die Großen sind in Gefahr - und das auch schon ohne EU-Zölle. Der chinesischen Solarindustrie geht es miserabel. Im März meldete der einst weltgrößte Hersteller von Solarmodulen, die Firma Suntech in Wuxi bei Schanghai, Insolvenz an.
Milliardenverluste wegen sinkender Marktpreise
Auch die anderen Solargiganten schreiben Milliardenverluste: Trina, Yingli, LDK. Sie leiden an denselben Problemen wie ihre Wettbewerber im Westen. Allein im vergangenen Jahr sanken die Marktpreise um 50 Prozent. Da lässt es sich nicht mehr profitabel wirtschaften.
Im chinesischen Fall sind die Probleme hausgemacht. Angetrieben durch staatliche Hilfen wie kostenloses Bauland oder billige Kredite schossen bis 2011 Hunderte Hersteller aus dem Boden. Die Branche produziert mehr als die Welt braucht. Die Preise sinken.
Mutmaßungen über politische Motive
Chinas Solarindustrie arbeitet vor allem für den Export. Das macht sie so verwundbar und abhängig. Viele Beobachter in China vermuten daher politische Motive hinter der EU-Entscheidung. "Ich glaube, der EU geht es hier nicht nur um die Solarindustrie", sagt Yu Wenjun. "Die Europäer wollen mehr Exporte nach China durchdrücken, etwa im Bereich Telekommunikation oder Flugzeuge. Die Solarindustrie benutzen sie nur als Druckmittel."
Chinas Regierung reagierte überraschend ruhig auf die Nachrichten aus Brüssel. Strafzölle seien zwar die "falsche Botschaft", sagte Pekings Vertreter bei der Welthandelsorganisation in Genf. Er drohte aber nicht mit Gegenschlägen. Die Regierung zeigt sich stattdessen verhandlungsbereit.
Und so dürfte jetzt das Feilschen beginnen. Denn zunächst geht es ja nur um vorläufige Strafzölle, sagt Iona Kraft von der Europäischen Handelskammer in Schanghai. "Eine gute Lösung wäre wahrscheinlich, sich jetzt auf einen bestimmten Mindestpreis zu einigen. Da sind Zahlen besprochen und untersucht worden. Und dann muss man sehen, was für beide vertretbar ist."
Gefahren auch für die deutsche Industrie
Klar ist, dass in dem Konflikt für beide Seiten mehr auf dem Spiel steht als nur das Geschäft mit der Sonnenenergie. Sollte Peking jetzt Vergeltung üben, könnten etwa deutsche Maschinen- oder Autobauer die Leidtragenden sein.
Auch in der Solarbranche sind die Deutschen verletzbar. Sie liefern Maschinen und Produktionsmaterialien nach China. Ein Handelskrieg wäre ein Desaster. Ioana Kraft hofft, dass es nicht so weit kommt. "Dafür sind die beiden Partner zu wichtig füreinander. Handelskrieg ist ein sehr großes Wort, das man vielleicht nicht so leichtfertig in den Mund nehmen sollte."
Krise in Europa, stotternde Konjunktur in China. An einem großen Konflikt dürfte in dieser Lage wohl niemand ein Interesse haben. Doch wenn schon kein Krieg, so sind doch Scharmützel möglich. Europas Firmen dürften nach der Brüsseler Entscheidung ein Stückchen mehr in die chinesische Schusslinie geraten sein.