Demonstrationsverbot in Spanien "Das System ist bürgerfeindlich!"
Nach tagelangen friedlichen Protesten in Spanien sorgt ein Demonstrationsverbot für Zorn. Alle für heute und morgen geplanten Kundgebungen wurden verboten, Protestcamps in 60 Städten müssen geräumt werden. Die Protestler sprechen von undemokratischen Zuständen.
Von Reinhard Spiegelhauer, ARD-Hörfunkstudio Madrid
Der Platz an der Puerta del Sol ist vormittags nicht mehr von Demonstranten gefüllt. Wer Arbeit hat oder Prüfungen an der Uni, der geht tagsüber seinen Verpflichtungen nach. Aber einige Hundert Menschen sind es doch, die auch jetzt noch im Protestcamp bleiben. Sie haben sich in verschiedenen Kommissionen organisiert. Es geht um praktische Dinge, wie Verpflegung, um Öffentlichkeitsarbeit und natürlich um Inhalte.
Forderungen an die Politik werden formuliert: "Auch kleinere Parteien müssen repräsentiert sein. Ich finde das Verhältniswahlrecht ungerecht. Die Sitze sollten gemäß des Stimmenanteils vergeben werden", findet einer der Anwesenden. Ein anderer junger Mann stimmt zu: "Dann würde auch der Wirtschaftskrise anders begegnet. Als Vorbild nenne ich Island." Diejenigen, die uns die Suppe eingebrockt haben, dürfen nicht ungeschoren davonkommen, sie müssen zur Verantwortung gezogen werden, wie die Banken in Island - so sehen es die meisten im Protestcamp.
"Keine Systemgegner"
Und auch die Parteien selbst, vor allem die beiden großen, müssten einen Reinigungsprozess durchmachen. "Die parteiinterne Philosophie muss sich verändern. Dass die Volkspartei korrupte Kandidaten in Valencia hält, und die Sozialisten in Andalusien, das ist eine Schande", so einer der Protestierer. Vor allem junge Leute diskutieren - Studenten, Berufsanfänger mit und ohne Job, aber auch Rentner sind dabei und Menschen mittleren Alters. Einer der Älteren sagt: "Manche behaupten, wir seien Systemgegner, aber das stimmt nicht. Hier sind alle möglichen Leute. Wahr ist, dass das System bürgerfeindlich ist."
Dass die Wahlkommission Demonstrationsverbote für das Wochenende bestätigt hat, finden die Menschen hier undemokratisch. Die Entscheidung macht sie wütend. "Wir fühlen uns nicht vertreten", werfen sie dem Staat vor und pochen auf die Versammlungsfreiheit. Was Samstag tatsächlich passieren soll, weiß noch niemand. Erst einmal gehen die Proteste weiter.
Seit Tagen haben Tausende Menschen in ganz Spanien protestiert.
Klare Formulierungen
Am Abend wird sich der Platz an der Puerta del Soll wieder mit Tausenden füllen und die Bewegung wird immer stärker. In zig Städten gibt es ähnliche, kleinere und größere Kundgebungen und Camps. In Barcelona und Valencia waren es in der vergangenen Nacht jeweils mehrere Tausend, die auf die Straße gegangen sind. "Das muss so weiter gehen, bis sich etwas ändert", sagt ein Mann. Aber man müsse auch "klare Forderungen formulieren, denn sonst bleibt es eine simple Kundgebung und viel Erreichtes ginge verloren".