Hintergrund

Beispiele für Staatshilfen Wenn der Staat retten will

Stand: 02.06.2009 19:23 Uhr

Der Staat springt bei Opel in die Bresche, die Mitarbeiter des Handelsriesen Arcandor hofften auf eine Staatsbürgschaft. Auch in der Vergangenheit hat sich die öffentliche Hand engagiert - mal mehr, mal weniger erfolgreich. Die vielzitierte Holzmann-Pleite ist nur ein Beispiel dafür. tagesschau.de beschreibt die wichtigsten Fälle in der Vergangenheit.

Von Ulrich Bentele, tagesschau.de

Soll sich der Staat in der Wirtschaft engagieren und angeschlagenen Firmen durch Staatsbürgschaften eine Rettung ermöglichen? Bringt er dadurch die Steuergelder in Gefahr oder rettet er durch gezielte Interventionen wertvolle Arbeitsplätze? In Krisen- und Wahlkampfzeiten scheint möglich zu sein, was vor Jahresfrist noch undenkbar war. Etwa der staatliche Rettungsschirm für die Banken mit einem Volumen von fast 500 Milliarden Euro. tagesschau.de beschreibt die wichtigsten Fälle, in denen der Staat in der Vergangenheit Firmen in Not zu retten versuchte.

Schröders gemischte Bilanz als Sanierer

Vielen ist der Fall Philipp Holzmann im Gedächtnis geblieben. Der ehemals größte deutsche Baukonzern stand im Herbst 1999 kurz vor der Pleite - nach jahrelangem Missmanagement hatten sich 4,5 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Die knapp 30.000 Beschäftigten blickten in eine ungewisse Zukunft.

Die vermeintliche Rettung kam vom Staat: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) machte den Fall Holzmann zur Chefsache und stellte Bundesbürgschaften von umgerechnet knapp 140 Millionen Euro bereit. Doch die scheinbare Rettung entpuppte sich nur als Aufschub. Weil die Bürgschaft noch an andere Banken-Hilfen geknüpft war, konnte sie nie in Anspruch genommen werden. In den Folgejahren schrumpfte Holzmann um 6000 Mitarbeiter, zudem drückte weiter eine Milliarden-Schuldenlast, auch das Eigenkapital war vollständig aufgebraucht - im März 2002 war die Insolvenz deshalb unausweichlich.

Schröder hatte bereits zuvor Erfahrungen mit Staatsinterventionen gesammelt - als Ministerpräsident von Niedersachsen. Schröder bewarb sich gerade erneut als Landeschef: Kurz vor der Landtagswahl 1998 wollte der Niedersachse Punkte sammeln, auch im SPD-internen Kampf um die Kanzlerkandidatur. Mithilfe der Landesbank NordLB kaufte Schröder ein ganzes Stahlwerk von der Preussag.

So schützte er Salzgitter vor einer feindlichen Übernahme durch das österreichische Unternehmen Voest Alpine. Die Stahlarbeiter waren erleichtert, ihre Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region waren gesichert - und auch die Wähler dankten es ihrem Ministerpräsidenten. Sie verhalfen Schröder zu einem überragenden Sieg und ebneten ihm damit letztlich auch den Weg nach Berlin. Ein knappes halbes Jahr später ging die Salzgitter AG an die Börse. Die Aktien waren dreifach überzeichnet. Das Land konnte einen satten Gewinn einstreichen.

Glücklose Stahlkocher, insolvente Maschinenbauer

Gut zehn Jahre zuvor ging ein ähnlicher Rettungsversuch gründlich daneben. 1987 war das letzte bayerische Großstahlwerk, die marode Maxhütte in der Oberpfalz, zum ersten Mal in Konkurs gegangen. Zunächst hielten der Einstieg des Landes Bayern, Millionensubventionen und Lohnverzicht der Beschäftigten das Werk am Leben. Dennoch kam die Maxhütte nicht aus den roten Zahlen heraus. 1998 musste sie deshalb schon wieder Konkurs anmelden. 2002 kam dann das endgültige Aus.

Auch die staatlichen Rettungsversuche zur Rettung der deutschen Tochter des Maschinenbauers Babcock Borsig misslangen gründlich. Obwohl das 111 Jahre alte Traditionsunternehmen mit seinen 20.000 Mitarbeitern Landes- und Bundesbürgschaften von 430 Millionen Euro vorweisen konnte, lehnte im Juli 2002 die Mehrzahl der Gläubigerbanken das Sanierungskonzept der nordrhein-westfälischen Landesregierung ab. Durch das mangelnde Vertrauen der Banken in das Unternehmen musste Babcock Borsig Insolvenz anmelden. Immerhin fanden sich Käufer für größere Unternehmensteile.

Erfolgreiche Hansestadt

Weitaus erfolgreicher verliefen zwei Beteiligungen der Stadt Hamburg. Im Herbst 2003 verhinderte die Hansestadt mit einer Minderheitsbeteiligung eine Zerschlagung der Beiersdorf AG. Zuvor war erbittert um die Übernahme des Beiersdorf-Aktienpakets der Allianz gerungen worden. Schließlich übernahm Hamburg zehn Prozent der Anteile, gleichzeitig erhöhte Tchibo seinen Anteil am Nivea- und Tesafilm-Hersteller von 30,3 auf fast 50 Prozent. Hamburg blieb nach seinem Ausstieg im Jahr 2007 sogar ein Gewinn von 7,8 Millionen Euro.

Auch im Fall Hapag-Lloyd lohnte sich der Einstieg Hamburgs offenbar: Im Dezember 2008 beteiligte sich die Stadt mit knapp 500 Millionen Euro an einem lokalen privatwirtschaftlichen Konsortium und übernahm damit mittelbar rund 23 Prozent der Anteile. Das Ergebnis: Die Traditionsreederei blieb ein Hamburger Unternehmen, ein möglicher Arbeitsstellenabbau durch einen Fremdinvestor konnte bisher verhindert werden. "In Hamburg ist die Einheit von starkem Staat und erfolgreicher Wirtschaft ein Fels in der Brandung", lobte CDU-Finanzsenator Michael Freytag die Lösung.

Es geht auch eine Nummer kleiner

Neben diesen öffentlichkeitswirksamen Staatsinterventionen unterstützt die öffentliche Hand über Bürgschaftsbanken kontinuierlich kleine und mittelständische Unternehmen. Dabei geht es nicht nur um die Rettung, sondern vor allem auch um die Unterstützung neuer und besonders innovativer Unternehmen. Nach Auskunft des Verbandes Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB) liegt der Bürgschaftshöchstbetrag dabei bei einer Million Euro und wurde im Zuge der Finanzkrise durch das Konjunkturpaket II bis Ende 2010 auf bis zu zwei Millionen Euro erhöht. Die Bürgschaftsbanken sind private Selbsthilfeeinrichtungen. Sie werden in ihrer Fördertätigkeit aber vom Bund und dem jeweiligen Bundesland durch Rückbürgschaften und Garantien unterstützt.

Alleine im Jahr 2008 haben die deutschen Bürgschaftsbanken 6759 neue Vorhaben mit einem Bürgschaftsvolumen von rund einer Milliarde Euro begleitet. Insgesamt nutzten Ende 2008 damit 44.003 Unternehmen Bürgschaften in Höhe von 5,3 Milliarden Euro. Die Ausfallquote der gescheiterten Engagements lag 2008 bei der Anzahl bei 2,9 Prozent und nach Summen bei 2,4 Prozent. Im ersten Quartal 2009 wurden 1575 Bürgschaften im Volumen von gut 250 Millionen Euro ausgereicht.

"Die deutschen Bürgschaftsbanken werden dem Mittelstand auch in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise bei der Kreditfinanzierung mit ihren Bürgschaften zur Seite stehen", versichert VDB-Geschäftsführer Stephan Jansen im Gespräch mit tagesschau.de - vor allem im Hinblick auf jene Kritiker, die bemängeln, dass der Staat in erster Linie lediglich bedrängten Großunternehmen helfe.