Ratingagentur S&P unterläuft schwerer Fehler Versehentliche Herabstufung schockt Frankreich
Inmitten der europäischen Schuldenkrise ist Standard & Poor's (S&P) ein Fehler unterlaufen: Die Ratingagentur verschickte irrtümlich eine Mitteilung an einige Kunden, laut der Frankreich seine Top-Bonität verloren habe. Frankreichs Finanzminister Baroin leitete eine Untersuchung gegen S&P ein.
Ihre Urteile können Großunternehmen und sogar ganze Staaten ins Wanken bringen. Doch auch die Ratingagenturen sind nicht unfehlbar: Jetzt musste Standard & Poor's zugeben, irrtümlich eine Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit verkündet zu haben.
Erst zwei Stunden nach dem Vorfall räumte die Agentur ein, am Donnerstag versehentlich eine Mitteilung an einige Abonnenten ihrer Internet-Seite verschickt zu haben, die eine Verschlechterung der Bonität signalisierte. Ursache sei ein technischer Defekt gewesen, erklärte S&P und betonte gleichzeitig, dass Frankreich noch immer die Bestnote "AAA" mit einem stabilen Ausblick habe.
Frankreich verlangt Untersuchung des Vorfalls
Frankreichs Finanzminister Francois Baroin nannte den Fehler am Rande einer Wirtschaftskonferenz in Lyon "ziemlich schockierend". Er forderte die Regulierungsbehörden auf, die Ursachen und Folgen des Vorgangs zu klären. Unmittelbar danach leitete die französische Börsenaufsicht AMF eine Untersuchung ein. Die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA sei ebenfalls kontaktiert worden, hieß es.
Der Generalsekretär der Regierungspartei UMP, Jean-Francois Cope, sparte nicht mit Kritik an der Agentur: "Die Ratingagenturen haben eine Verantwortung, auch wenn sie manchmal Entscheidungen treffen, die schwer zu verstehen sind. Aber jetzt in dieser Situation so unprofessionell zu handeln, das ist schon beschämend."
Die Europäische Union kritisierte die S&P-Falschmeldung als "schwerwiegenden Vorfall". EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier erklärte, dieser zeige, dass die Akteure in der aktuell sehr schwankenden und angespannten Situation an den Finanzmärkten "Strenge und ein besonderes Verantwortungsgefühl" zeigen müssten.
Ratingagentur sucht nach Erklärung
S&P erklärte, ebenfalls zu untersuchen, warum die Mitteilung automatisch versendet worden sei. "Wenn die Empfänger auf den Link in dem Alert geklickt hätten, dann hätten sie gesehen, dass Frankreichs Rating unverändert war", fügte S&P-Sprecher Martin Winn hinzu. Weiter wollte er sich nicht äußern. Es war unklar, wie viele Abonnenten die Mitteilung über die Herabstufung erhalten hatten.
Ratingagenturen waren in jüngster Zeit verstärkt in die Kritik geraten. Den drei großen US-Ratingagenturen S&P, Moody's und Fitch wird auch von etlichen europäischen Politikern vorgeworfen, mit ihren Herabstufungen die Krise in Europa zu verschärfen und nicht unparteiisch zu sein. In der Vergangenheit war bereits darüber spekuliert worden, dass Frankreich seine Top-Bonität verlieren könnte.
"Frankreich hat schon längst kein AAA mehr"
Zuvor hatte der frühere Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Jacques Attali, seinem Land in einem Gespräch mit dem französischen Wirtschaftsblatt "La Tribune" bereits ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Situation Frankreichs sei "katastrophal", seit "zehn, zwölf Jahren" steige die Verschuldung "rapide" an: "Machen wir uns nichts vor: Auf den Finanzmärkten haben die französischen Schulden schon kein AAA mehr."
Er spielte damit auf die Tatsache an, dass der Unterschied in den Renditen zwischen deutschen und französischen Schuldpapieren in den vergangenen Tagen ständig neue Rekordwerte erreichte. Der Risikoaufschlag für Staatspapiere mit einer zehnjährigen Laufzeit für Frankreich im Vergleich zu Deutschland lag zwischenzeitlich bei mehr als 1,6 Prozent.
Die Ratingagentur Moody's hatte bereits im Oktober gewarnt, dass die Bestnote "AAA" für die Kreditwürdigkeit des Landes in Frage gestellt werden könnte, sollte der Staat seine Sparpläne nicht in ausreichendem Maße umsetzen. Erst am Montag hatte der konservative Regierungschef François Fillon ein neues Maßnahmenbündel vorgestellt, mit dem die Regierung das Haushaltsdefizit trotz geringen Wachstums verringern will. Attali, der auch Berater des verstorbenen sozialistischen Präsidenten François Mitterrand war, kritisierte das Programm als "unzureichend".
Frankreichs Regierung musste in den vergangenen drei Monaten bereits zweimal ihre Wachstumsprognosen reduzieren.