Europäische Zentralbank EZB-Chefvolkswirt Stark tritt zurück
Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Stark, tritt zurück. Aus "persönlichen Gründen", hieß es offiziell von der EZB. In Finanzkreisen hieß es dagegen, Stark gehe im Streit um die Staatsanleihenankäufe der EZB. Als möglicher Nachfolger wird Finanzstaatssekretär Asmussen gehandelt.
Mitten in der Euro-Krise hat der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, seinen Rücktritt angekündigt. Das bestätigte die EZB. Der 63-Jährige wird voraussichtlich bis zum Jahresende im Amt bleiben.
Die EZB erklärte, Stark trete aus persönlichen Gründen zurück. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete dagegen, Grund für Starks Abgang sei ein Zerwürfnis über die Staatsanleihenkäufe der EZB. Bereits Anfang des Jahres hatte sich der damalige Bundesbank-Chef Axel Weber ebenfalls wegen des Krisenmanagements in der Eurozone aus dem EZB-Rat zurückgezogen und später seinen Verzicht auf den EZB-Chefposten erklärt.
Merkel: Stark steht für Stabilitätskultur
Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankte sich bei Stark für dessen Einsatz für einen stabilen Euro. Er habe sich jahrelang "konsequent und erfolgreich" für eine stabile europäische Gemeinschaftswährung eingesetzt, so Merkel. Stark stehe für eine Stabilitätskultur, der sich die Bundesregierung dauerhaft verpflichtet fühle. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet dankte Stark "für seinen jahrelangen herausragenden Beitrag für die europäische Einheit". Insbesondere in der Zeit im EZB-Direktorium seit 2006 habe er sich "mit ganzem Herzen" für den Euro stark gemacht.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bedauerte in einer ersten, kurzen Stellungnahme den Rücktritt. "Die Bundesregierung nimmt das mit Bedauern und mit Respekt zur Kenntnis", sagte der CDU-Politiker am Rande des G-7-Treffens in Marseille. Gleichzeitig kündigte er an, dass Deutschland einen "guten Vorschlag" für die Nachfolge Starks im EZB-Direktorium unterbreiten werde. Einen Namen nannte Schäuble allerdings nicht.
Nach übereinstimmenden Informationen der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa soll Finanz-Staatssekretär Jörg Asmussen Starks Nachfolger im sechsköpfigen EZB-Direktorium werden. Beide Agenturen berufen sich auf nicht näher genannte Kreise. Neuer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium soll laut Reuters der bisherige Europa-Abteilungsleiter Thomas Steffen werden.
Ein letzter Sparappell
Der scheidende EZB-Chefvolkswirt selbst richtete nochmals einen eindringlichen Sparappell an die Euro-Staaten. In einem in Auszügen vorab zitierten Gastbeitrag für die Montagsausgabe des "Handelsblatts" fordert Stark eine Rückkehr zur soliden Finanzpolitik und warnt vor einer ausufernden Schuldenspirale. In der aktuellen Krise sei alles falsch, was weitere Ausgaben unterstütze, betont der Notenbanker dem Blatt zufolge. Vor allem die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verlangten neuen Konjunkturspritzen lehne er ab. Stattdessen betonte der 63-Jährige die positiven Effekte einer entschlossenen Sparpolitik. Im gegenwärtigen Umfeld sei "davon auszugehen, dass positive Vertrauenseffekte aufgrund solider Finanzpolitik beträchtlich sein werden", schreibt er.
Stark kritisierte Kauf von Staatsanleihen
Stark gehört seit Monaten zu den heftigsten Kritikern der Staatsanleihenkäufe, mit denen die EZB seit Mai 2010 Problemländer wie Griechenland stützt. Stark ist seit Juni 2006 Chefvolkswirt der EZB und seine Amtszeit wäre normalerweise erst Ende Mai 2014 zu Ende gewesen. Stark hatte zwischen 1995 und 1998 als Staatssekretär im Finanzministerium am EU-Stabilitätspakt mitgearbeitet. Anschließend war Stark in den Vorstand der Deutschen Bundesbank gewechselt.
Verkaufswelle an der Börse
Die EZB und die Euro-Zone trifft der Rückzug des promovierten Ökonomen in einer sehr labilen Phase. Ende Oktober muss Präsident Jean-Claude Trichet nach acht Jahren an der Spitze der Zentralbank turnusmäßig gehen. Nachfolger des Franzosen wird der Italiener Mario Draghi. Der aktuelle Chef der Banca d'Italia ist vor allem in Deutschland umstritten.
An der Börse sorgte die Rücktrittsnachricht für hektische Verkäufe: Der Euro verlor binnen kurzer Zeit fast einen Cent an Wert. Der DAX ging auf Talfahrt. Deutsche Staatsanleihen legten zu, während die Kurse von italienischen und spanischen Staatspapieren sanken.