Vorzeigeprojekt droht zu scheitern Stoiber und das große Nichts
Edmund Stoiber ist mit seiner Arbeit als Bürokratiebekämpfer in der EU recht zufrieden. Viele Vorschläge habe er unterbreitet, die zu großen Einsparungen führen könnten. Sein Vorzeigeprojekt ist die Abschaffung der Bilanzpflicht für kleine Unternehmen. Gerade die aber droht zu scheitern.
Vor vier Jahren hatten die Staats- und Regierungschefs eine großartige Idee. Sie beschlossen feierlich, der europäischen Bürokratie zu Leibe zu rücken. Bis 2012 – so heißt das Ziel – soll ein Viertel der Verwaltungslasten verschwinden. Als Speerspitze im Kampf gegen überflüssige Regeln wurde der gerade arbeitslos gewordene bayrische Ex-Ministerpräsident Stoiber - ein ausgewiesener Kritiker der Eurokratie - nach Brüssel geholt.
Dort sitzt er nun einer hochrangigen Gruppe für den Bürokratieabbau vor. Und seine letzte Zwischenbilanz fiel positiv aus: "Eine gewaltige Aufgabe, 260 Vorschläge haben wir unterbreitet mit einem Einsparvolumen von knapp 41 Milliarden Euro." Aber vorschlagen heißt noch lange nicht umsetzen, denn in der EU sind die Entscheidungswege lang und verschlungen.
Vollmundige Ankündigung
Und das zeigte sich nun ausgerechnet bei Stoibers Prestigeprojekt. Er will die kleinen Unternehmen in Europa - und davon gibt es Millionen - von der Pflicht befreien, jedes Jahr eine Bilanz zu erstellen und diese Bilanz zu veröffentlichen. "Das bedeutet in Deutschland allein eine Entlastung jedes Unternehmens im Jahr von 1200 bis 1500 Euro. Das ist für ein kleines Unternehmen eine Menge Holz."
Die Bilanzpflichten waren ursprünglich für große Kapitalgesellschaften gemacht worden, erläutert Klaus-Heiner Lehne (CDU), der für das Thema im Europäischen Parlament zuständig ist. Sie seien dann aber auf immer mehr Unternehmen ausgedehnt worden. Mit der Folge für Deutschland, "dass das Bundesamt für Justiz mit vielen hundert zusätzlichen Angestellten und Beamten ausgestattet wurde, die nichts anderes zu tun haben, als darauf zu achten, dass die 200.000 bis 300.000 GmbH in Deutschland jedes Jahr eine Bilanz einreichen und die dann auch im Bundesanzeiger veröffentlichen. Und tun die das nicht, gibt es dann irgendwelche Bußbescheide. Sinn macht das alles überhaupt nicht."
Gespräche ohne Folgen
Aber das Brett, dass es für die Abschaffung des Sinnlosen zu bohren galt, erwies sich als weit dicker als erwartet. Widerstand regte sich, angeführt von Frankreich. Bürokratiebekämpfer Stoiber musste sein ganzes Altpolitiker-Gewicht in die Waagschale werfen: "Ich habe mit Jean Claude Juncker gesprochen, ich habe mit Sarkozy gesprochen, ich habe mit Angela Merkel gesprochen. Und Sarkozy hat mir erklärt, er wird diesen Widerstand nicht mehr aufrechterhalten."
Da muss Stoiber aber etwas missverstanden haben. Denn gerade in dieser Woche haben die Franzosen - unterstützt von einigen anderen Staaten - bei der Abstimmung im Rat der EU-Wirtschaftsminister dafür gesorgt, dass aus dem Tiger ein Bettvorleger wurde. Aus dem Wegfall der Bilanzvorschriften wurde nichts: "Es werden bei den Verpflichtungen, die man in eine Bilanz zu schreiben hat, ein paar Begründungen weggelassen. Das ist eigentlich ein Nichts, um das klar zu sagen", unterstreicht Klaus-Heiner Lehne, der immerhin letztes Jahr eine satte Mehrheit im Parlament für den Stoiber-Vorschlag organisiert hatte.
Nichts als kleinkarierter Widerstand?
Minimal-Nonsens habe der Rat da produziert, zumal auch der Kreis der Unternehmen, die von den Erleichterungen profitieren, verkleinert wurde – auf Kleinstunternehmen. Der Jahresumsatz darf maximal 500.000 Euro betragen. "Das ist schon ziemlich frustrierend", meint Lehne, "wenn man immer wieder merkt, wie am Widerstand kleinlicher, kleinkarierter Beamter im Rat - und was anderes ist das nicht - solche wirklich wichtigen Maßnahmen scheitern."
Lehne hat den Kampf aber noch nicht aufgegeben. Denn das Parlament muss in einer zweiten Lesung seinen Standpunkt bestätigen. Dann kommt es zu einer Vermittlung. Aber wenn sich Rat und Parlament nicht einigen können, gibt es gar kein neues Gesetz. Es wäre nicht das erste Mal.