"Suisse Secrets" Die Skandalbank vom Paradeplatz
Nicht erst durch das Datenleak "Suisse Secrets" gerät die Credit Suisse in die Schlagzeilen. Ein Blick auf die vergangenen Jahre offenbart eine lange Reihe von fragwürdigen Geschäften.
Für die Credit Suisse beginnt das Jahr 2022 nicht gerade erfreulich. Die Bank muss sich derzeit gemeinsam mit einer ehemaligen Kundenberaterin vor dem eidgenössischen Bundesstrafgericht verantworten. Der Vorwurf: Die Bank soll zwischen 2004 und 2008 einem bulgarischen Drogenboss dabei geholfen haben, 146 Millionen Schweizer Franken zu waschen. Die Bank erklärt dazu, dass sie diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurückweise und auch von der Unschuld der ehemaligen Mitarbeiterin überzeugt sei.
Der Fall ist - gemeinsam mit den nun öffentlich gewordenen "Suisse Secrets" - der jüngste Vorfall in einer an Skandalen nicht gerade armen Unternehmensgeschichte. Bereits im Herbst 1999 geriet die Bank in die Negativ-Schlagzeilen. In der Schweiz waren mehr als 660 Millionen US-Dollar aufgetaucht, die dem brutalen nigerianischen Diktator Sani Abacha zuzurechnen waren. Auch die Credit Suisse-Gruppe hatte demnach dreistellige Millionensummen des Diktators verwaltet. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma warf ihr deshalb schwerwiegende Mängel bei der Geldwäsche-Prävention vor. Die Credit Suisse betonte daraufhin, man habe die Überwachungsverfahren verschärft.
Viele Skandale sowie hohe Strafen
Im Dezember 2009 wird bekannt, dass die Bank in den USA eine Rekordstrafe in Höhe von 536 Millionen US-Dollar zahlen muss. Anwälte der Credit Suisse hatten vor US-Behörden einräumen müssen, dass die Credit Suisse Bank "bewusst und willentlich gegen US-Sanktionsregeln verstoßen oder diese zu umgehen versucht" habe. Unter anderem wurde der Bank zur Last gelegt, dass sie illegale Transaktionen in einer Größenordnung von mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar abgewickelt hatte, unter anderem mit Kunden aus dem Iran und aus Libyen.
Nur zwei Jahre später folgt der nächste Skandal: Ein Whistleblower hatte deutschen Steuerfahndern eine Daten-CD mit den Namen deutscher Credit Suisse-Kunden zugespielt. Die versteckten ihr Vermögen bei der Schweizer Bank vor dem deutschen Fiskus. Es folgen zahlreiche Strafverfahren in Deutschland gegen deutsche Credit-Suisse-Kunden. Besonders pikant: Auf der Daten-CD fand sich auch eine Präsentation, die nahelegte, dass man bei der Credit Suisse durchaus wusste, dass viele der deutschen Kunden in der Schweiz Schwarzgeld parkten. Um einem Prozess zu entgehen, zahlte die Bank eine Strafe in Höhe von 150 Millionen Euro.
Auch in anderen Ländern musste sich die Credit Suisse wiederholt vor Gericht verantworten, weil sie Kunden dabei geholfen hatte, Steuern in ihren Heimatländern zu hinterziehen. Im Zuge jahrelanger Ermittlungen der US-Behörden bekannte sich die Bank 2014 schuldig, auch US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Die Bank akzeptierte eine Strafe in Höhe von 2,6 Milliarden US-Dollar.
Involviert in internationale Korruptions- und Betrugsskandale
Auch in den Folgejahren fiel die Bank negativ auf, weil ihr vorgeworfen wurde, dass sie die Geldwäsche-Prävention nicht ernst genug nehme und Schwarzgeld von internationalen Kunden verstecke. Derzeit laufen erneut Ermittlungen des US-Senats gegen Credit-Suisse-Banker, die amerikanischen Kunden, trotz aller anderslautenden Versprechungen, auch nach 2014 bei der Steuerhinterziehung geholfen haben sollen.
Der Name Credit Suisse taucht auch immer wieder im Rahmen internationaler Korruptions- und Betrugsskandale auf. Einer der vielleicht spektakulärsten Fälle rankt sich um die geplante Finanzierung einer Thunfisch-Fangflotte in Mosambik. Londoner Credit-Suisse-Banker hatten zusammen mit anderen Banken zwischen 2013 und 2016 Anleihen in Milliardenhöhe für das ostafrikanische Land arrangiert - und von dem Darlehen an das arme Land üppige Kickback-Zahlungen eingestrichen. Die Bank akzeptierte dafür im vergangenen Jahr eine Strafe von rund einer halben Milliarde US-Dollar.
Beschattungen durch die Credit Suisse
Doch nicht nur fremde Länder, auch das eigene oder ehemalige Personal bleibt von Skandalen nicht verschont. Im Februar 2020 kam die Beschattung des ehemaligen Credit Suisse Top-Managers Iqbal Khan ans Licht. Khan war zur Konkurrenz UBS gewechselt, und die Bank wollte herausfinden, ob er Kunden mitgenommen hatte. Der damalige Bankchef Tidjane Thiam erklärte, keine Kenntnisse von der Beschattung gehabt zu haben, ebenso das restliche Topmanagement. Der Verwaltungsrat trennte sich trotzdem von Thiam.
Die Bank wurde von der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma scharf gerügt: Sie stellte schwere Mängel in der Organisation fest. Das Ausmaß der Affäre war demnach weitaus größer als zunächst angenommen. Zwischen 2016 und 2019 sollen insgesamt sieben Menschen beschattet worden sein, auch im Ausland.
In der Stellungnahme zu den "Suisse Secrets" betont die Credit Suisse, dass sie sich der Verantwortung bewusst sei, gegenüber "Kundinnen und Kunden und dem gesamten Finanzsystem (…) höchste Verhaltensstandards einzuhalten". Weiter schreibt die Bank: "Die Credit Suisse hält bei der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit die geltenden globalen und lokalen Gesetze und Bestimmungen ein. In den letzten Jahren hat die Bank eine Reihe bedeutender Maßnahmen in Einklang mit Finanzreformen in der Schweiz umgesetzt, einschließlich umfassender Investitionen."
Unter dem Deckmantel des Schweizer Bankgeheimnisses bot die Großbank in diesem Zeitraum auch Kriminellen, brutalen Diktatoren und umstrittenen Geheimdienstchefs offenbar einen sicheren Hafen für ihre Vermögen - allen öffentlichen Bekundungen einer "Weißgeldstrategie" zum Trotz.
Der Datensatz wurde der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Die SZ hat die Daten mit mehr als 160 Journalistinnen und Journalisten aus 39 Ländern geteilt. An den Recherchen beteiligt waren unter anderem "The Guardian", "Le Monde" und "Miami Herald". In Deutschland arbeiteten Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR und SZ an dem Datensatz.
Koordiniert wurden die "Suisse Secrets" von der SZ sowie dem internationalen Journalisten-Netzwerk OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project). Das OCCRP ist eine gemeinnützige Organisation und wird unter anderem durch öffentliche Mittel des US-amerikanischen und des dänischen Außenministeriums sowie durch die EU finanziert.
Der Whistleblower, der die Daten an die Journalisten gegeben hat, teilte in einem Statement unter anderem mit: "Ich glaube, dass das Schweizer Bankgeheimnis unmoralisch ist. Der Vorwand, die finanzielle Privatsphäre zu schützen, ist lediglich ein Feigenblatt, um die schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern zu verschleiern. (…) Diese Situation ermöglicht Korruption und bringt die Entwicklungsländer um dringend benötigte Steuereinnahmen."