Metalle aus Russland Mehr Recycling, weniger Abhängigkeit
Die EU könnte laut einer Studie die Engpässe bei Metallen mittelfristig durch Recycling schließen. Der Rohstoff-Bedarf wird künftig stark steigen, um Energiewirtschaft und Verkehr nachhaltig zu gestalten.
Der EU drohen einer Untersuchung zufolge mittelfristig Engpässe bei der Versorgung mit Metallen wie Lithium. So lautet das Ergebnis einer Studie der Katholischen Universität Löwen. "Elektrofahrzeuge, Batterien, Photovoltaikanlagen, Windräder und Wasserstofftechnologien benötigen alle wesentlich mehr Metalle als ihre herkömmlichen Alternativen", teilten die Fachleute mit. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom europäischen Verband Eurometaux, in dem sich Nichteisenmetallerzeuger und-recycler zusammengeschlossen haben.
Die globale Energiewende schreite schneller voran als die Zahl der Bergbauprojekte zur Gewinnung der nötigen Metalle, heißt es in der Untersuchung. Bei Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel und sogenannten seltenen Erden könne es deshalb ab 2030 globale Versorgungsengpässe geben. Europa habe nur ein kleines Zeitfenster, um seine heimische Produktion voranzutreiben, unterstreichen die Experten. Von 2040 an könne dann ein großer Teil des europäischen Metallbedarfs auch durch Wiederverwertung gedeckt werden.
Langfristige Selbstversorgung angepeilt
"Recycling ist Europas größte Möglichkeit, seine langfristige Selbstversorgung zu verbessern, und könnte bis 2050 45 bis 65 Prozent des Bedarfs an Basismetallen in Europa decken", so die Studie. Bei sogenannten seltenen Erden und Lithium bestehe das Potenzial, Quoten von mehr als 75 Prozent zu erreichen.
Mit deutlichem Abstand am stärksten steigt der Bedarf der Untersuchung zufolge beim Lithium. Die globale Nachfrage nach dem Metall als Übergangsrohstoff werde bis 2050 voraussichtlich mehr als 2000 Prozent der weltweiten Gesamtnachfrage von 2020 betragen. Aber auch bei seltenen Erden wie Dysprosium (plus 433 Prozent) oder dem Schwermetall Kobalt (plus 403 Prozent) ist den Angaben zufolge mit einer deutlich höheren Nachfrage zu rechnen.
Es drohen kritische Engpässe
In Hinblick auf Europa rechnen die Forscherinnen und Forscher damit, dass 35-mal mehr Lithium, 7- bis 26-mal mehr Seltenerdmetalle und 3,5-mal mehr Kobalt benötigt wird, um nachhaltig Energie zu erzeugen und die EU bis 2050 klimaneutral zu gestalten.
"Ohne eine baldige Versorgung mit neuen Primärmetallen und ein besseres Recycling drohen kritische Engpässe, die Europas Ziel eines autonomeren, sauberen Energiesystems gefährden", teilte die KU Löwen mit. Die Untersuchung schränkt jedoch ein, dass technologische Entwicklungen und Verhaltensänderungen die Lage ebenfalls noch beeinflussen können, in der Studie aber nicht berücksichtigt wurden.
Unabhängiger von Russland werden
Bereits vor einigen Tagen hatte sich auch die Deutschen Rohstoffagentur zu diesem Thema geäußert: Durch mehr Recycling bei Rohstoffen könnte Europa nach Ansicht der Fachleute auch unabhängiger von russischen Importen werden. "Wir sehen noch erhebliches Potenzial beim Recycling, auch wenn wir in Deutschland schon vergleichsweise gut unterwegs sind", sagte Siyamend Al Barazi, Chef des Bereichs Rohstoffwirtschaft bei der Deutschen Rohstoffagentur, der "Automobilwoche". Bei Kupfer, Blei, Aluminium und Nickel würden die Recyclingquoten in Deutschland bereits zwischen 40 und 60 Prozent liegen. Russland liefert rund zehn Prozent des weltweiten Nickel-Bedarfs.
Europa habe seiner Einschätzung zufolge noch viel Potenzial bei Rohstoffen. "In Finnland etwa gibt es Nickelvorkommen, interessante Lithium-Lagerstätten finden sich auch in Spanien, Portugal oder Serbien." Die Frage sei aber, ob solche Projekte im weltweiten Vergleich wirtschaftlich betrieben werden könnten. Zudem koste es Zeit und Geld, etablierte Prozessketten grundlegend zu verändern.
China größter Produzent von seltenen Erden
Die Ukraine und Russland seien vor allem für den europäischen Markt wichtige Lieferanten, etwa von Aluminium, Nickel oder Edelgasen wie Neon. Diese Mengen könnten nicht von heute auf morgen durch andere Lieferanten ersetzt werden, meinte der Fachmann. Die Deutsche Rohstoffagentur ist eine dem Wirtschaftsministerium nachgeordnete Einrichtung. Sie analysiert und bewertet die internationalen Märkte für mineralische Rohstoffe und fossile Energierohstoffe.
Weltweit größter Produzent von seltenen Erden ist China. Russland gehört zusammen mit China, Vietnam und Brasilien zu den Ländern mit den größten Reserven.