Internet per Glasfaser Spanien rast auf der Datenautobahn
80 Prozent aller Haushalte in Spanien haben einen Glasfaseranschluss - in Deutschland ist es gerade einmal ein Zehntel. Der technische Vorsprung hat auch historische Gründe.
Stierkampf, Flamenco, Prozessionen: So manche iberische Tradition hat etwas Altmodisches an sich. Der Internetzugang in Spanien dafür umso weniger: Onlinetickets - zum Beispiel für die Flamenco-Aufführung oder die Bahnfahrt zur Osterprozession in Sevilla - kaufen die meisten Leute in Spanien unterwegs per LTE oder zu Hause über superschnelles Glasfaser-Internet. So wie in der Werbung eines Telefonanbieters. "100 Mbit für Madrid" heißt es da.
Vier Fünftel aller Haushalte mit Glasfaseranschluss
Das wirklich Bemerkenswerte daran: Dieser Werbespot ist neun Jahre alt. Inzwischen ist Glasfaser bis in die Wohnung für mehr als 80 Prozent der Haushalte verfügbar, und um die 60 Prozent nutzen das Angebot auch. 300 Mbit sind fast überall zu haben, auch Gigabit-Geschwindigkeit ist nichts Exotisches. Deutschland ist im Vergleich dazu im Glasfaser-Mittelalter. Bestenfalls: Die Abdeckung liegt bei zehn Prozent, und nur fünf Prozent aller Haushalte nutzen das superschnelle Internet.
Spanien habe allerdings auch einen gewichtigen Standortvorteil, sagt Luz Usamentiaga. Sie ist beim Telekommunikationsanbieter Orange España zuständig für Regulierungsthemen, Corporate Affairs und Soziale Netzwerke. "In Spanien ist die Bevölkerung anders verteilt als in Deutschland, viel konzentrierter. Dadurch erreichen wir mit dem Glasfasernetz leichter einen großen Anteil. Es ist weniger zersiedelt, ein größerer Teil konzentriert sich auf sehr wenige große Städte." So lebt allein ein Viertel aller Spanierinnen und Spanier in den beiden Metropolregionen Madrid und Barcelona.
Eigener Anschluss lange keine Selbstverständlichkeit
Dass Spanien beim Glasfasernetz so viel weiter ist, als Deutschland, liegt aber auch an der - früheren - Rückständigkeit des Landes. Noch lange nach dem Ende der Franco-Diktatur war der eigene Festnetzanschluss keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht auf dem Land. Zum Telefonieren stellten sich viele noch in den Neunzigern an der Telefonzelle an, auch von vielen Kneipen aus konnte man damals noch telefonieren. Dafür waren die Spanierinnen und Spanier etwas später sofort vom Handy begeistert.
Anders als die Telekom in Deutschland hatte der ehemalige Staatskonzern und Monopolist Telefonica deshalb nach der Liberalisierung keine riesigen Kupfer-Investitionen zu schützen - und ging schnell in die Glasfaser. Dass Telefonica sein Glasfasernetz anfangs auch nicht staatlich reguliert an Mitbewerber habe vermieten müssen, habe den Ausbau zusätzlich beschleunigt, erklärt Usamentiaga: "Die Bedingungen, zu denen Telefonica 2010 die Nutzung ihrer Infrastruktur angeboten hat, waren für alternative Betreiber, wie zum Beispiel Orange, nicht interessant genug."
Also verlegten Mitbewerber selbst Glasfaser. Dafür wiederum musste die Telefonica zumindest ihre schon verlegten Kabelschächte qua Regulierung zur Verfügung stellen. "Ich glaube, dass das wirklich ein Schlüsselelement war: der Zugang zu den Kabelschächten der Telefonica", sagt Usamentiaga. Für die letzte Meile beziehungsweise die Verteilung in den Häusern nutzt zumindest Orange aber auch komplett eigene Infrastruktur - um mehr Möglichkeiten für eine spätere Skalierung zu haben.
Glasfaser für alle binnen vier Jahren
Bis 2025 soll Spanien nahezu 100 Prozent Glasfaserabdeckung haben. Orange als einer der großen Telekommunikationsanbieter in Spanien setzt explizit auf Wachstum im ländlichen Raum - die Kunden verlangten einfach ein Komplettangebot aus von Handy, schnellem Internet und Streaming-Angeboten. Usamentiaga setzt auch auf Investitionen im Rahmen des Corona-Aufbauplan der EU - zum Beispiel für Teleworking statt Berufspendeln: "Wir wollen bei der weiteren Digitalisierung helfen, auch in weniger dicht besiedelten Gebieten. Das ist eine fantastische Gelegenheit, diese Regionen zu stärken, mehr Wohlstand und eine nachhaltigere Wirtschaft zu schaffen - insgesamt ein Umfeld der Nachhaltigkeit."
Schon jetzt sieht man auch in eher abgelegenen ländlichen Regionen immer wieder Autos von Telekommunikationsanbietern, die neben den Straßen neue Glasfaserkabel verlegen. Wo die großen, international aufgestellten Konzerne - noch - nicht hinkommen, sind zum Teil auch regionale Anbieter unterwegs. In Sachen Internet per Glasfaser dürfte Spanien gegenüber Deutschland die Nase noch eine Weile vorn haben.