Blick ins fahrerlose Cockpit eines Robo-Taxis von Waymo
analyse

Autonomes Fahren Hat Tesla noch eine Chance gegen Waymo?

Stand: 20.08.2024 16:45 Uhr

Die Robotaxi-Firma Waymo dominiert den Markt für autonomes Fahren und macht immer mehr Fortschritte. Konkurrent Tesla gerät ins Hintertreffen - und Konzernchef Musk ergeht sich in Andeutungen.

Eine Analyse von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

"Waymo-Robotaxis brauchen weniger Kameras und Radare", ist heute zu lesen. Was nach einer kleinen Meldung klingt, ist in Wahrheit ein deutlicher Fingerzeig: Waymo schreitet in Sachen autonomes Fahren weiter voran - und vergrößert so den Abstand zur Konkurrenz.

Mehr als 50.000 bezahlte Fahrten pro Woche

Die Google-Schwesterfirma ist weltweit das erste Unternehmen überhaupt, das Robotaxis zur Marktreife gebracht hat. 2020 in einem Randbezirk von Phoenix gestartet, erstreckt sich der komplett fahrerlose Robotaxidienst mittlerweile auf weite Teile von Phoenix, San Francisco und Los Angeles. Aktuell macht die Firma mehr als 50.000 bezahlte Fahrten pro Woche.

Kein anderes Unternehmen hat so viele Fahrten in der "echten Welt" und Testfahrten unternommen wie Waymo: Über 20 Millionen Meilen echte Fahrten und über 20 Milliarden Testmeilen kommen bislang zusammen.

Waymo setzt nun auf chinesische Minivans

Mittlerweile trägt auch die 2022 bekanntgegebene Kooperation mit dem chinesischen Autohersteller Zeekr erste Früchte: Eine Handvoll Minivans, die von Waymo und Zeekr gemeinsam entwickelt worden sind, wurden bereits auf den Straßen von San Francisco gesichtet. Bislang setzte Waymo ausschließlich auf umgebaute Fahrzeuge des ebenfalls batteriebetriebenen Jaguar-Modells iPace.

Zwar sind die neuen Minivans noch mit einem Sicherheitsfahrer unterwegs. Dennoch signalisiere die Tatsache, dass Waymo mit einem geräumigeren, speziell angefertigten Robotaxi auf die Straße gegangen ist, die nächste Phase der Entwicklung der autonomen Fahrzeugtechnologie des Alphabet-Konzerns, ist das renommierte Technologie-Nachrichtenportal TechCrunch überzeugt.

Waymo-Robotaxi von Zeekr

Die ersten Zeekr-Minivans mit Waymo-Technologie sind bereits in San Francisco unterwegs.

Google steckt weitere fünf Milliarden Dollar in Waymo

Doch was macht Waymo so erfolgreich? Ein finanziell gut ausgestatteter Mutterkonzern im Hintergrund ist jedenfalls kein Nachteil: Die Konzernmutter Alphabet hat Waymo erst Ende Juli weitere fünf Milliarden Dollar zugesagt.

Die neue Finanzierungsrunde soll "Waymo in die Lage versetzen, das weltweit führende Unternehmen für autonomes Fahren aufzubauen", sagte Ruth Porat, die scheidende Finanzchefin von Alphabet bei Vorstellung der Zahlen zum zweiten Quartal.

Fußgängerin mehrere Meter von Robotaxi mitgeschleift

Die Chancen für Waymo stehen dabei gut, hat die Firma doch so gut wie keine ernstzunehmende Konkurrenz. Der wohl größte Mitbewerber Cruise hat sich dabei selbst praktisch aus dem Rennen genommen: Dem Unternehmen wurde ein Unfall im Oktober 2023 zum Verhängnis, bei dem eine Fußgängerin in San Francisco von einem der Autos angefahren und dann unter dem Wagen noch mehrere Meter mitgeschleift wurde. Die Autos der General-Motor-Tochter kehren gerade erst allmählich wieder auf die Straßen zurück.

Die unendliche Tesla-Robotaxi-Geschichte

Doch was ist eigentlich mit Tesla? Schenkte man den Ankündigungen von Konzernchef Elon Musk Glauben, so müssten auf den Straßen weltweit längst zigtausende autonome Teslas unterwegs sein. Bereits 2016 enthüllte Musk den "geheimen Tesla-Masterplan, Teil zwei".

Darin kündigte er an, Tesla-Modelle zu Robotaxis zu machen. Tesla-Besitzer könnten danach ihr Auto einer Flotte von Tesla-Robotaxis ganz einfach per Knopfdruck hinzufügen und so Geld mit ihrem Auto verdienen, wenn sie es nicht benötigen. Zielhorizont: "nächstes Jahr". Das wäre dann also 2017 gewesen.

Seither gab es von Musk immer wieder Ankündigungen in puncto Robotaxis. Geworden ist daraus bislang - nichts. "Tesla Robotaxi unveil on 8/8", hieß es etwa von Musk im April dieses Jahres auf X. Doch auch dieser Termin wurde mittlerweile einkassiert. Statt am 8. August soll es nun im Oktober so weit sein.

Warum Tesla unbedingt ein Robotaxi braucht

Experten sind skeptisch: Selbst wenn Musk im Oktober tatsächlich einen Robotaxi-Prototypen vorstellen würde, dürfte es noch Jahre dauern, bis das Fahrzeug auf die Straße kommt. Jahre, in denen Marktführer Waymo sein Produkt immer mehr ausreift und verbessert. Technologiekenner sehen es zudem kritisch, dass Musk offenbar auf Laser-Radare verzichten und Autonomie nur mit Kameras erreichen will.

Fakt ist: Tesla braucht dieses Robotaxi - unbedingt. Denn längst verfängt die Geschichte vom Elektroautopionier nicht mehr, um Investoren zu begeistern. Im Gegenteil: Tesla bekommt immer mehr die Konkurrenz zu spüren, vor allem günstigere Modelle aus China knabbern Marktanteile weg. Der US-Konzern reagiert darauf mit Rabattaktionen - doch die kosten wiederum Marge.

Die Autopilot-Funktion des Tesla-Modells Y

Der Tesla-Autopilot - eine Funktion, die immer wieder für Ärger und Sicherheitsprobleme im Verkehr sorgt.

Immer wieder Probleme mit dem Autopiloten

Mit dem allmählichen Wegbrechen der Elektroauto-Fantasie muss nun neues Material her, um die Anleger von der Tesla-Aktie zu überzeugen. Entsprechend entsetzt reagierten Investoren, als Musk den Vorstellungstermin für den Robotaxi-Prototypen abermals verschob.

Darüber hinaus machte Tesla zuletzt vorwiegend Negativschlagzeilen wegen Problemen mit seinen bisherigen Autopilot- und Full-Self-Driving-Systemen. Der Konzern ist mit mehreren Klagen wegen fahrlässiger Tötung konfrontiert.

Autonome Hupkonzerte nerven Anwohner

Im Vergleich dazu nehmen sich die Probleme, mit denen Waymo konfrontiert ist, geradezu lächerlich aus - wenn sie auch für die betroffenen Anwohner nur schwer zu ertragen sind. Nächtliche Hupkonzerte auf einem Waymo-Parkplatz in San Francisco hatten zuletzt für Aufsehen gesorgt.

Auslöser war eine neue Funktion, bei der die selbstfahrenden Autos hupen, wenn jemand mit langsamer Geschwindigkeit rückwärts auf sie zufährt. Eine tolle Sicherheitsfunktion für die Innenstadt - auf dem hauseigenen Parkplatz aber einfach nur nervig. Der Anwohnerin Sophia Tung zufolge begann in schöner Regelmäßigkeit gegen 4 Uhr morgens ein "verrücktes Ballett aus autonomem Parken und Hupen", wie der Technologieblog The Verge berichtete.

Ein Software-Patch sollte das Problem eigentlich beheben. Doch Tung zufolge ist es auf dem Parkplatz seither nicht leiser geworden. Die kuriose Geschichte zeigt: Das Projekt autonomes Fahren hat mehr Tücken, als so mancher Technologiefan es für möglich gehalten hätte.