Deutschland droht Verfahren wegen Bilanzüberschuss EU tadelt den Export-Europameister
Jahrelang wurde Deutschlands Wirtschaft für ihre Exportstärke gefeiert. Nun gelten die Überschüsse plötzlich als Problem. Vorige Woche gab es einen heftigen Rüffel aus Washington. Nun droht die EU-Kommission den Deutschen sogar mit einem Prüfverfahren.
Deutschland muss wegen seiner Exportstärke Ärger aus Brüssel fürchten. Laut EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn wird die Bundesrepublik auch 2013 mehr Güter in andere europäische Länder ausführen als Brüssel erlaubt - das sei schon das siebte Jahr in Folge.
Und dieses Jahr werde nicht das letzte bleiben, fügte der Finne bei der Vorstellung der Wirtschaftsprognose der EU-Kommission hinzu: "Der Leistungsbilanzüberschuss dürfte in den nächsten Jahr zwar abnehmen, aber dennoch über dem Referenzwert von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung verharren."
Sogar ein Milliardenbußgeld wäre möglich - theoretisch
Nächste Woche will die EU-Kommission nun entscheiden, ob eine sogenannte vertiefte Prüfung gegen Deutschland eingeleitet wird. Brüssel überwacht nämlich seit einigen Jahren nicht nur die Haushaltsdefizite und die Schuldenstände - sondern auch, ob schädliche Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten bestehen. Und schädlich ist eben nicht nur ein zu großes Defizit in der Leistungsbilanz. Auch ein zu großer Überschuss kann zum Problem werden.
In letzter Konsequenz könnte die Bundesrepublik sogar zu einem milliardenschweren Bußgeld verurteilt werden. Aber Wirtschaftskommissar Rehn wollte da keine Dramatik aufkommen lassen. So eine vertiefte Prüfung sei nichts Ungewöhnliches, sagte er.
Kritik auch an Frankreich
Und: Rehn nahm Deutschland sogar in Schutz gegen die massiven Vorwürfe aus Washington. Das US-Finanzministerium hatte vergangene Woche die angeblich übertriebene Exportorientierung der deutschen Wirtschaft angeprangert: "Ich will darüber keine politisch motivierte Diskussion führen, sondern eine, die sich an den Fakten orientiert", sagte Rehn.
Seine Ratschläge an Berlin sind allerdings nicht ganz neu: Ankurbelung der Binnennachfrage, Verbesserungen im Niedriglohnbereich und Investitionen in die Infrastruktur. Zudem schlug der Finne einen Bogen nach Paris. Der französischen Regierung legte er - auch nicht zum ersten Mal - nahe, den Arbeitsmarkt und das Rentensystem zu reformieren: "Wenn Deutschland und Frankreich die Empfehlungen des Europäischen Rates umsetzen würden, täten sie der gesamten Eurozone und dem Wachstum einen großen Dienst."