Bericht über wirtschaftliche Risiken EU sieht zwölf Mitgliedsländer in Schieflage
Ein EU-Frühwarnsystem soll wirtschaftliche Fehlentwicklungen in den Mitgliedsländern rechtzeitig aufzeigen und bekämpfen. Der erste Bericht liegt nun vor: Riskante Schieflagen gibt es demnach in zwölf Staaten, darunter Frankreich. Deutschland ist nicht dabei - trotz seines Exportüberschusses.
Martin Bohne, MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Brüssel hat eine neue Front im Kampf gegen die Krise eröffnet: Nach den Schulden geraten nun auch wirtschaftliche Ungleichgewichte ins Visier. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn stellte den ersten Frühwarnbericht über bedrohliche Fehlentwicklungen vor. Zwölf EU-Staaten werden nun in den nächsten Monaten genauer unter die Lupe genommen. Darunter sind auch die großen Länder Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Deutschland ist nicht betroffen.
Die Fehlentwicklungen könnten europaweit die Krise verschärfen, so befürchtet die EU-Kommission. Die Probleme sind von Land zu Land unterschiedlich: In einigen Ländern wird die hohe Arbeitslosigkeit als besonders gefährlich angesehen, in anderen die öffentliche und private Schuldenlast. Mehrere Länder leiden unter einer stark nachlassenden Exportkraft oder unter explodierenden Immobilienpreisen.
Eine riskante wirtschaftliche Schieflage droht laut EU-Kommission in zwölf Mitgliedsländern. Um diese Staaten geht es: Frankreich, Italien, Großbritannien, Belgien, Bulgarien, Zypern, Spanien, Finnland, Ungarn, Slowenien, Schweden, Dänemark.
Belgien, Frankreich und Großbritannien gerieten ins Visier der Währungshüter, da sie auf Exportmärkten Anteile verloren und hohe Schuldenstände haben. In Italien machen der hohe öffentliche Schuldenberg und das niedrige Wachstumspotenzial Sorgen. In Spanien ist die hohe Arbeitslosigkeit ein Auslöser für Bedenken. In Dänemark und Schweden fallen steigende Immobilienpreise auf.
Diese Prüfungen werden zeigen, ob bedrohliche wirtschaftliche Schieflagen vorliegen, so Kommissar Rehn. "Wenn ja, dann werden wir geeignete Korrekturmaßnahmen vorschlagen." Das sei aber nur der erste Schritt. "Wenn die Länder keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergreifen, können wir ein Verfahren einleiten. Die Länder müssen dann einen konkreten Maßnahmenplan vorlegen. Und wenn auch das nichts hilft, dann kann die EU sogar eine Geldstrafe verhängen, die bei großen Ländern in die Milliarden gehen kann", erklärt Rehn.
Deutschland haarscharf unter der Schwelle
Die Bundesrepublik wird vorerst keiner verschärften Beobachtung unterzogen. Obwohl viele Politiker und Experten davon überzeugt sind, dass der enorme deutsche Exportüberschuss - auch befördert durch eine überzogene Lohnzurückhaltung - wesentlich zum Ausbruch der Euro-Schuldenkrise beigetragen hat. Aber der deutsche Leistungsbilanzüberschuss lag 2010 mit 5,9 Prozent unter der Schwelle, die als gefährlich angesehen wird - wenn auch nur haarscharf, um gerade mal einen Zehntelprozentpunkt.
Zudem seien die Trends positiv, meint Wirtschaftskommissar Rehn: "Die Binnennachfrage in Deutschland wird in den kommenden Jahren zum wichtigsten Wachstumsfaktor werden, und so die Exportüberschüsse nach und nach verringern." Er fügt hinzu: In den nächsten Monaten würden seine Experten die Folgen von starken Exportüberschüssen genauer analysieren - und das werde auch Deutschland betreffen.