Auftragsboom bei Airbus Heute bestellt - nächstes Jahrzehnt geliefert
Airbus kann sich vor Aufträgen kaum retten. Dabei profitiert das Unternehmen auch von der Schwäche der Konkurrenz. Doch der Auftragsboom hat auch seine Kehrseiten.
Langsam parkt der Schlepper den A320 rückwärts aus, dann röhren die Triebwerke: Am Auslieferungszentrum auf dem Airbus-Gelände in Toulouse werden die letzten Tests an den Flugzeugen vorgenommen. Was aussieht wie ein Terminal, ist der Komplex, in dem die Maschinen an die Kunden übergeben werden - und der wird gerade deutlich erweitert.
"Vorher konnten wir vier Übergaben am Tag abwickeln, in unserem neuen Gebäude sind es dann zwölf. Wir haben also unsere Kapazitäten deutlich erhöht", sagt Alexis Lafont, der Chef der Auslieferung von Airbus in Toulouse. "Und wir binden unsere Kunden viel stärker und früher ein, zum Beispiel bei der Vorbereitung der Auslieferung oder bei der Endfertigung."
Mehr Lieferungen an die Kunden: Das ist das erklärte Ziel von Airbus. Denn der europäische Flugzeughersteller kann sich vor Aufträgen kaum retten. Doch bis das Flugzeug beim Kunden ist, dauert es: "Wir veröffentlichen keine genauen Zahlen. Aber wenn man jetzt einen A320 bestellt, was unser beliebtestes Flugzeug ist, gibt es Lieferslots frühestens im nächsten Jahrzehnt", so Lafont.
Erholung nach der Pandemie
735 Flugzeuge hat Airbus 2023 ausgeliefert. Die Corona-Pandemie hatte die Branche mächtig durcheinandergewirbelt. Die Produktion danach wieder anzukurbeln, war eine große Herausforderung. Dieses Jahr plant der Hersteller etwa 800 Flugzeuge auszuliefern; das wäre etwas weniger als das Niveau vor Corona.
Dass die Lieferketten während der Corona-Pandemie empfindlich gestört wurden, wirke noch immer nach, so Finanzanalyst Yan Derocles: "Die ganze Produktionskette, jedes kleine Teil, muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Da sind wir immer noch nicht wieder angekommen." Wie Airbus bei der jährlichen Pressekonferenz in Toulouse mitteilte, befürchtet das Unternehmen, dass die geopolitischen Spannungen die ohnehin noch fragilen Lieferketten beeinflussen.
Kniffliges Management der Zulieferer
Airbus-Konzernchef Guillaume Faury sagt im ARD-Interview, auch die Lieferanten müssten bei den anvisierten Produktionssteigerungen auch mitziehen: "Der Parameter, der für uns am kritischsten ist, ist, wie wir unsere Zulieferer managen. Die Lieferketten müssen wie wir auch in einem schnelleren Rhythmus liefern, wir haben fast 3000 Zulieferer."
Airbus habe daher in das Management der Zulieferer investiert. "Wir arbeiten mit jedem Zulieferer individuell", so Faury, "Das ist sehr viel Arbeit, sehr detailliert, um die Möglichkeiten und Kapazität jedes Zulieferers zu verstehen und bei Engpässen vorzubeugen." Auch der Fachkräftemangel macht Herstellern wie Airbus Probleme. Zwar hat der Konzern zum Beispiel in Hamburg neues Personal eingestellt, aber das muss ja auch entsprechend ausgebildet und geschult werden, um einsetzbar zu sein.
Airlines brauchen Wettbewerb der Hersteller
Während sich Airbus vor Aufträgen kaum retten kann, steht Konkurrent Boeing deutlich schlechter da - und das nicht erst, seit am 5. Januar eine Boeing 737-Max-Maschine kurz nach dem Start ein Rumpfteil verlor. Sowohl bei Bestellungen als auch bei Lieferungen hinkt er dem europäischen Konkurrenten deutlich hinterher. Nun hat Boeing sogar angekündigt, vorerst auf Geschäftsprognosen zu verzichten.
Dass Airbus im Verhältnis so stark wird, sei nicht im Interesse der Airlines, sagt Analyst Derocles. So habe die Lufthansa im Winter ganz bewusst 737-Max-Flugzeuge bei Boeing bestellt. "Keine renommierte Airline würde die Wette eingehen, nur auf einen Hersteller zu setzen, egal ob Airbus oder Boeing", so Derocles.
Mehr Innovationen durch Konkurrenz?
Bei Ryanair sehe man, zu welchen Problemen das führt, wenn man ausschließlich auf einen Hersteller setzt, in diesem Fall Boeing: "Ryanair wird bestellte Flugzeuge nicht erhalten. Sie müssen ihren Flugplan anpassen und werden auch weniger Umsatz machen, weil sie sich von einem Hersteller abhängig gemacht haben."
Zudem erhoffen sich die Airlines, dass die Konkurrenz auch Innovationen vorantreibt - zum Beispiel, was klimafreundlichere Antriebe angeht. Denn die Luftfahrtbranche hat sich ein äußerst ehrgeiziges Ziel gesetzt: 2050 soll Fliegen klimaneutral sein.