Neue Spielkartenfabrik in Altenburg Noch längst nicht ausgereizt
Altenburg ist stolz auf seine Tradition als Wiege des Skat. Doch das Geschäft mit Bube, Grand und Schneider hat auch Zukunft: In der Stadt in Thüringen entsteht eine neue Spielkartenfabrik.
Weder seltene Erden noch Metalle, sondern Pappe und Papier sollen den Industriestandort Altenburg in Thüringen zukunftsfähig machen. Denn Anfang 2023 möchte die "Spielkartenfabrik Altenburg GmbH" in eine neue, moderne Produktionsstätte umziehen. Oberbürgermeister André Neumann von der CDU hat vergangene Woche gemeinsam mit anderen Verantwortlichen den symbolischen Spatenstich gesetzt. Es ist eine Investition in einen Wachstumsmarkt.
Im vergangenen Jahr stellte die Spielkartenfabrik Altenburg bereits 42 Millionen Karten- und 14 Millionen Schachtelspiele her. Die aktuelle Fabrik kann inzwischen kaum so viele Spiele ausliefern wie Aufträge reinkommen. Und nicht nur in Altenburg laufen die Maschinen der Spieleindustrie heiß. Hermann Hutter, Vorsitzender des "Verbands der Spieleverlage e.V.", weist darauf hin, dass die Verbandsmitglieder 2021 bereits das siebte Jahr in Folge positive Wachstumszahlen erzielten.
Gesellschaftsspiele im Aufwind
Besonders im ersten Pandemiejahr 2020, inmitten von Homeoffice und digitalen Lernplattformen, boomte das analoge Gesellschaftsspiel. "Dadurch, dass die Gesellschaft öfter zu Hause geblieben ist, wurde sie mehr an das Gesellschaftsspiel herangebracht", sagt Jürgen Gehr, Geschäftsführer der Spielkartenfabrik Altenburg. Gehr ist sich sicher, auch ohne Coronavirus würden heute die Bagger in Altenburg rollen. Denn schon in den Jahren zuvor seien die Wachstumsraten gut gewesen. Besonders bei Gesellschaftsspielen wie Carcassonne oder sogenannten Exit-Spielen steige die Nachfrage.
"Für die Stadt ist das natürlich eine ganz große Sache. Das bedeutet Zukunft", sagt Oberbürgermeister Neumann. Die Spielkartenfabrik Altenburg gehört zum belgischen Mutterkonzern Cartamundi. Besonders stolz macht Neumann, dass seine Stadt bei der Standortsuche Wettbewerber aus Irland und Polen habe ausstechen können.
Bürgermeister André Neumann vor dem Baugrund, auf dem die neue Fabrik enstehen wird. Altenburg habe sich gegen internationale Konkurrenz durchsetzen können, sagt er.
Alte Spiele modern produziert
So bleibt der Stadt eine lange Tradition erhalten. Denn Anfang des 19. Jahrhundert erfanden Altenburger das Skat-Spiel. Seit 1832 wird das Traditionsspiel in der selbsternannten Skatstadt produziert. Skatdecks und andere Spiele wollen die Altenburger in Zukunft auf 20.500 Quadratmetern automatisierter und nachhaltiger herstellen. Geplant sind unter anderem eine Regenwasseraufbereitung und Photovoltaik-Anlagen. Die "Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen" zeichnete den Bau mit der besten Bewertungsstufe Platin aus.
Vor Ort lässt bisher nur ein Werbeplakat erahnen, wie die zukünftige Fabrik aussehen könnte. Hinter dem Plakat fahren einige wenige Bagger über das sandige Brachland. Dennoch soll der Bau noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Die Kosten von über 20 Millionen Euro trägt allerdings nicht die Spielkartenfabrik Altenburg, sondern Panattoni, ein Projektentwickler für Industrieimmobilien. Die Spielkartenfabrik Altenburg zieht lediglich als Mieter ein.
So wird die neue Spielkartenfabrik in Altenburg aussehen.
Schrumpfende Stadt: "Wer sagt, dass das schlimm ist?"
Der Oberbürgermeister rechnet mit 100 zusätzlichen Arbeitsplätzen, die durch den Neubau der Spielkartenfabrik entstehen. Am bisherigen Standort arbeiten bereits etwa 330 Menschen. Altenburgs Zukunft hängt auch an der Spieleindustrie. "Es sterben im Jahr 1000 Menschen in Altenburg", sagt Neumann. Bei etwa 400 Geburten pro Jahr erwartet er, dass die Einwohnerzahl von 31.000 auf etwa 26.000 fallen wird. "Wer sagt, dass das schlimm ist?", wehrt sich der CDU-Mann gegen eine vermeintliche Kleinstadt-Tristesse. Es gebe auch Positives am Schrumpfprozess - wenn die Verbliebenen Arbeit hätten und ihre Stadt genießen könnten.
Neumann hofft, dass die Investition in Gesellschaftsspiele einen Dominoeffekt auslösen kann. Altenburg biete viele freien Flächen für Investoren. "In 90 Minuten Fahrreichweite leben 4,6 Millionen Menschen", sagt er. Bei diesem Wert könne die Kleinstadt mit der Bundeshauptstadt Berlin konkurrieren. Schon heute zögen mehr Menschen nach Altenburg als weg aus der Stadt, so der Bürgermeister. Altenburg hat weitere Pläne, etwa für eine multimediale Spielewelt, die 76.000 Gäste pro Jahr anlocken soll - gefördert vom thüringischen Wirtschaftsministerium.
Wichtige Steuereinnahmen für die Stadt
Dass der belgische Mutterkonzern Cartamundi an die Zukunftsfähigkeit ihrer Stadt glaubt, kommt bei den Altenburgern gut an. "Die Investitionen sind gut", sagt etwa die Rentnerin Heidemarie Müller. "Dann werden die Steuern hier abgerechnet. Der Stadt geht sonst bestimmt bald das Geld aus."
Klar ist: Das große Geschäft wird in der Spieleindustrie anderswo gemacht. Das US-amerikanische Computer- und Online-Spiel "Call of Duty" erwirtschaftete 2020 drei Milliarden US-Dollar. So verkündete es die Firma Activision.
Dass die Altenburger Spiele mit der digitalen Konkurrenz nicht mithalten können, ist für Verbandsvertreter Hutter unerheblich. "Ich sehe Onlinespiele nicht als direkte Wettbewerber", sagt Hutter. Denn die Beliebtheit von "Oldschool"-Spielen werde durch den Trend zum Digitalen nicht behindert. "Durch das gemeinsame Rätseln und Lachen entsteht ein Miteinander. Das ist weiterhin gefragt." Dieses Miteinander schafften vor allem Gesellschaftsspiele - gefertigt meist aus Pappe und Papier.