Deutschlands größter Agrarhändler BayWa muss sparen und Geschäftsteile verkaufen
"Unter bestimmten Voraussetzungen" ist der Agrarhändler BayWa sanierungsfähig. Daran glauben offenbar auch die Banken. Bald soll ein Sanierungsgutachten vorliegen.
Der angeschlagene Agrarriese BayWa bekommt bis zum Jahresende Zeit, seine Finanzen zu ordnen. Die wichtigsten Gläubigerbanken stellten bis Ende Dezember weitere 500 Millionen Euro an Überbrückungskrediten zur Verfügung, teilte der Konzern am Sonntagabend mit. Erst Mitte August hatten die Banken und die Großaktionäre die hoch verschuldete BayWa mit zusammen 547 Millionen Euro gestützt.
Nun scheint auch das lang erwartete Sanierungsgutachten demnächst fertiggestellt zu werden. Am vergangenen Dienstag gab die BayWa AG erste Ergebnisse bekannt. Danach kommt das Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger in einem ersten Entwurf zu dem Ergebnis, dass der Agrarhändler unter bestimmten Voraussetzungen sanierungsfähig ist und mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt werden kann.
Roland Berger wurde im Juli 2024 überraschend von der BayWa AG mit dem Sanierungsgutachten beauftragt. Die Sanierung soll mehrere Jahre dauern. Harte Einschnitte wie Stellenabbau und der Verkauf von Unternehmenssparten seien dazu nötig. Die BayWa müsse in vielen Geschäftsfeldern die Kosten senken und die Margen verbessern.
BayWa-Krise könnte auch Obstbauern am Bodensee treffen
Am Hof von Landwirt Hubert Bernhard aus Kressbronn am Bodensee ist die Hopfenernte in vollem Gange. Die BayWa ist für ihn und die anderen Bauern im Umkreis ein wichtiger Vertragspartner - nicht nur beim Hopfen: Er sei abhängig von der BayWa und wisse nicht, wohin mit seiner Ernte, wenn der Agrarhändler diese nicht mehr abnehmen würde, so der Landwirt. Denn gerade im Bereich der Sonderkulturen wie etwa Hopfen würde er nicht von heute auf morgen einen anderen Abnehmer finden, befürchtet der 61-Jährige.
Von den Landwirten aus der Region kommen viele Äpfel und Birnen, die von der BayWa europaweit verkauft wurden. Seit diesem Jahr aber haben einige Bauern den Vertrieb über ihre Genossenschaft, die Württembergische Obstgenossenschaft, selbst übernommen. Deren Aufsichtsratsvorsitzender Hubert Bernhard ist erleichtert, dass sie sich dazu bereits vor der BayWa-Krise entschieden haben. Denn somit bekommen die Landwirte das Geld für ihre Ernte dieses Jahr direkt von der Genossenschaft.
Weiterhin angewiesen sind die Landwirte aber auf die Lagerungskapazitäten und die Sortieranlage der BayWa. Wenn der Agrarriese ins Wanken gerät, wüssten die 230 Bauern nicht, wie es damit weitergeht.
Vom Rekordgewinn zur wirtschaftlichen Schieflage
Die BayWa AG hat besonders seit dem Jahr 2009 weltweit expandiert. So stieg der Konzern in neue Geschäftsfelder wie die Solar- und Windenergiebranche ein und investierte in Agrarprojekte in Neuseeland und Südafrika. Diese Strategie trug dazu bei, dass der Konzern im Jahr 2022 noch einen Rekordgewinn in Höhe von knapp 240 Millionen Euro einfahren konnte.
Doch dann kamen Krisen wie der Krieg in der Ukraine und die zunehmende Konkurrenz in der Solarbranche aus Asien. 2023 stand ein Jahresfehlbetrag von rund 93 Millionen Euro in den Büchern. Die Schulden wuchsen auf 5,6 Milliarden Euro an. Durch die Zinserhöhungen der EZB wurde ihre Refinanzierung deutlich teurer. Für das erste Halbjahr meldete der Konzern nun einen weiteren Verlust von 290,5 Millionen Euro.
Sanierungsgutachten liegt demnächst vor
Wie es mit der BayWa weitergehen kann, wird das Sanierungsgutachten zeigen. Das soll im Oktober vorliegen. Nach Meinung des Experten für Unternehmensführung und Aufsichtsrecht, Manuel Theisen von der LMU München, ist das Management des Agrarkonzerns verantwortlich für die Schieflage. Allein kosmetische Korrekturen wie ein paar Verkäufe, zusätzliche Beteiligungen oder das Schließen mancher Standorte reichten nicht aus, so der Experte. Seiner Meinung nach müsse die BayWa massiv und komplett unter die Lupe genommen werden.
Die BayWa war nicht nur für Landwirt Hubert Bernhard jahrzehntelang ein wichtiger Partner. Dass der Traditionskonzern einmal in eine solche Schieflage geraten könnte, hätte er niemals gedacht. Er hofft auf eine Rettung - irgendwie.