Boeing verschiebt Start Wieder kein "Starliner"-Testflug
Der Luftfahrtkonzern Boeing verschiebt den für heute geplanten Testflug der Raumkapsel "Starliner" erneut. Dabei strebt der Konzern auch in der Raumfahrt eine wichtige Rolle an - und steht somit unter Erfolgsdruck.
Auch heute kein Start der Boeing-Raumkapsel "Starliner": Der Luftfahrtkonzern, der auch ins All strebt, hat den für 19.20 Uhr mitteleuropäischer Zeit geplanten Start abgesagt. Bei Twitter bestätigte Boeing Space entsprechende Medienberichte. Grund sind offenbar Probleme mit Ventilen im Antriebssystem der Raumkapsel. In einer schriftlichen Mitteilung heißt es, man erwäge, den Start morgen durchzuführen.
"Wir sind enttäuscht über die heutigen Ereignisse und die Notwendigkeit, den 'Starliner'-Start abermals verschieben zu müssen", so der Manager des "Commercial Crew Program" von Boeing, John Vollmer. Die bemannte Raumfahrt sei ein komplexes, präzises Unterfangen, das keine Fehler verzeihe. "Die Teams von Boeing und der NASA nehmen sich die Zeit, die sie brauchen, um die Sicherheit und Intaktheit des Raumschiffs sicherzustellen und die Ziele der Mission zu erreichen."
Schritt halten in schnell wachsender, umkämpfter Branche
Eigentlich hatte der heutige Start für den US-Luftfahrtkonzern ein wichtiger Schritt werden sollen, um im Geschäft der kommerziellen Raumfahrt mit der wachsenden Konkurrenz mitzuhalten. Neben dem Luftfahrtkonzern mischen auch SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk, Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos und Virgin Galactic des britischen Unternehmers Richard Branson mit. Die Branche wächst schnell.
Erster Anlauf gescheitert
Mit dem zweiten Startversuch wollte Boeing sein Weltraumprogramm wieder auf Kurs bringen. Das Raumschiff sollte mit einer Rakete vom Typ Atlas V vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida starten. 24 Stunden später war das Andocken des "Starliner" an der Internationalen Raumstation ISS vorgesehen. Die Raumkapsel sollte 180 Kilogramm Fracht zur Station bringen, unter anderem zur Versorgung der aktuellen ISS-Besatzung. "Starliner" wäre dann mit rund 250 Kilogramm Frachtgut zur Erde zurückgekehrt, darunter Luftbehälter.
Ein erster unbemannter Testflug der "Starliner"-Kapsel war 2019 wegen Software-Problemen gescheitert. Das Raumschiff konnte die ISS damals nicht ansteuern und kehrte vorzeitig zur Erde zurück.
Zuletzt musste der Termin für den eigentlich vergangenen Freitag vorgesehenen zweiten Flug zur ISS auf heute verschoben werden. Grund war ein Zwischenfall beim Andocken des neuen russischen Labor-Moduls "Nauka" an die ISS. Die Wetterprognosen waren allerdings auch für den heutigen Versuch nicht optimal.
Raumfahrtgeschäft verspricht stabile Umsätze
Für Boeing ist ein Erfolg des "Starliner" von enormer Bedeutung, denn neben dem Bereich Luftfahrt mit seiner Flugzeugflotte soll die Sparte Verteidigung, Raumfahrt und Sicherheit, in der auch das "Starliner"-Projekt angesiedelt ist, in der Zukunft für stabile Erträge beim Konzern sorgen. Bereits jetzt erwirtschaftet der Bereich rund ein Drittel der Konzernerlöse. Und im Gegensatz zum Flugzeug-Bereich, der im vergangenen Jahr wegen Corona dramatische Einbrüche zu verzeichnen hatte, kam Boeing mit Tankflugzeugen fürs Militär und kommerziellen Satelliten und Dienstleistungen in diesem Bereich gut durch die Krise.
Das "Starliner"-Projekt geht auf eine Entscheidung der US-Raumfahrtbehörde NASA vor zehn Jahren zurück. Die NASA hatte ihr Shuttle-Programm wegen hoher Kosten und nach zwei Unglücken eingestellt und war in der Folge auf russische Raketen angewiesen, um zur ISS zu kommen. Um wieder unabhängiger von Russland zu werden, beauftragte die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama das Unternehmen SpaceX von Elon Musk sowie den Luftfahrtriesen Boeing mit dem Bau von Raumfähren.
Erst Fracht, dann Astronauten
SpaceX hat bereits Menschen zur ISS gebracht. Im Mai 2020 flogen erstmals zwei Astronauten an Bord der "Crew Dragon"-Kapsel zur ISS. Im April 2021 waren vier Raumfahrer auf der Reise zur Station an Bord. Sobald der unbemannte "Starliner"-Flug gelungen ist, sollen nach weiteren Tests Ende des Jahres auch mit der Boeing-Kapsel Menschen befördert werden.
Die NASA will bei ihren Raumflügen bewusst auf mehrere Unternehmen zurückgreifen können. Dass auch andere Konkurrenten ihre Fühler nach milliardenschweren Aufträgen in der Raumfahrt ausstrecken, hatte jüngst ein Streit um einen NASA-Auftrag für eine Mondlandefähre gezeigt: Blue Origin mit Bezos an der Spitze hatte SpaceX einen Auftrag wegschnappen wollen und dabei sogar die Übernahme von Entwicklungskosten in Milliardenhöhe angeboten. Eine Beschwerde von Blue Origin gegen den NASA-Auftrag an SpaceX beim US-Rechnungshof GOA wurde vor wenigen Tagen abgelehnt.