Energiekonzern Warum Frankreich EDF verstaatlicht
Frankreichs Regierung hat die Komplettübernahme des Energiekonzerns EDF angekündigt. Es geht ihr dabei nicht nur um die finanzielle Stabilisierung, sondern auch um strategische Fragen und die Umsetzung zentraler Projekte.
Schon lange war klar, dass es so nicht weitergehen kann: Der größte Stromanbieter Europas, Electricité de France (EDF), ist in eine finanzielle Schieflage geraten. EDF hat Nettoschulden in Höhe von rund 42 Milliarden Euro plus Zinsen, die Ratingagenturen bewerten den Konzern immer schlechter.
Doch es war nicht der desolate Zustand des bereits zu 84 Prozent dem Staat gehörenden Unternehmens, den die Premierministerin gestern als Grund für die komplette Wiederverstaatlichung angab. Elisabeth Borne sprach während ihrer Regierungserklärung von einer strategischen Entscheidung. "Wir brauchen die volle Kontrolle über unsere Stromproduktion und ihre Leistungskraft. Wir müssen angesichts des Krieges in der Ukraine unsere Souveränität behaupten", sagte sie. "Deshalb werden wir EDF zu 100 Prozent verstaatlichen. So kann EDF die ehrgeizigen unerlässlichen Projekte umsetzen, die für unsere Zukunft wichtig sind."
Das heißt: die sechs neuen Druckwasserreaktoren zu bauen, die Präsident Emmanuel Macron angekündigt hat. Darüber hinaus sollen bis 2050 acht weitere Reaktoren ins Auge gefasst werden. Kostenpunkt alles in allem: rund 50 Milliarden Euro. Auch in die Erneuerbaren soll der Konzern investieren.
Staats muss acht Milliarden Euro investieren
Nach der Ankündigung der Verstaatlichung gestern schnellte der Kurs von EDF an der Börse in die Höhe. Rund acht Milliarden Euro wird den Staat der Kauf der Minderheitenanteile kosten, schätzen Experten. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire findet das gut angelegtes Geld. Er sagt: "Die Unabhängigkeit in Sachen Energie hat keinen Preis."
Mit dem Kauf will die Regierung aber auch strukturelle Probleme lösen. Diese haben dazu beigetragen, dass der Konzern finanziell angeschlagen ist. Aus Wettbewerbsgründen muss EDF seinen Atomstrom unter Marktpreis an die Konkurrenz abgeben. Zusätzlich hat der Staat EDF Vorgaben zur Preisdeckelung für Endverbraucher gemacht. So hat Electricité de France geringere Einnahmen.
Hinzu kommt: Die Hälfte aller 56 Reaktoren steht derzeit still. Kostspielige Wartungen und ein unvorhergesehenes Korrosionsproblem an zwölf Reaktoren sorgen dafür, dass EDF derzeit längst nicht die Strommengen produzieren kann, die die Reaktoren eigentlich bringen könnten. "Die große Herausforderung wird sein, mehr Strom zu produzieren, um den Winter gut zu überstehen", sagt Wirtschaftsminister Le Maire.
Konzern steht vor Umstrukturierung
Soweit die akuten Probleme. Langfristig aber stellt sich die Frage, wie der riesige Konzern fit gemacht werden kann für die Zukunft. Schon seit langem wird über eine Umstrukturierung nachgedacht: "Herkules" heißt der klingende Name des Projekts, für das man allerdings grünes Licht aus Brüssel bräuchte.
"Kann schon sein, dass Herkules umgesetzt wird. Kann aber auch nicht sein", sagt Nicolas Goldberg, Energie Fachmann bei der Beratungsfirma Columbus Consulting. "Das wird der zweite Akt sein. Da stellen sich Fragen wie: Wird EDF weiter den Strom nicht nur produzieren, sondern auch vertreiben? Wird man das Unternehmen in Erneuerbare, AKW und Wasserkraftwerke aufspalten? - Kann sein. Wie wird die Atombranche des Konzerns finanziert, wie werden in Zukunft die Preise reguliert?" Mit der Entscheidung der Regierung ist erstmal nur eines klar: Sie packt sich selbst einen Haufen Probleme auf den Tisch.