Abstimmung im EU-Parlament Strengere Regeln für Online-Riesen
Verbraucher in der EU sollen besser vor Desinformation, Hassrede oder illegalen Dienstleistungen geschützt werden. Mit großer Mehrheit beschloss das EU-Parlament, große Tech-Konzerne künftig stärker zu regulieren.
Das EU-Parlament hat grünes Licht für strengere Regeln für Online-Riesen wie Google und Facebook gegeben. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg mit großer Mehrheit für den sogenannten Digital Services Act (DSA).
Er soll klarere Regeln für die großen Online-Plattformen festlegen, etwa beim Vorgehen gegen Hass- und Falschnachrichten. "Wir holen uns die Kontrolle über die Internet-Giganten zurück", sagte die dänische Abgeordnete Christel Schaldemose, die den Entwurf im EU-Parlament federführend ausgearbeitet hatte. Mit dem DSA sage die EU dem "Wilden Westen" den Kampf an, "zu dem die digitale Welt geworden ist".
"Als neues digitales Grundgesetz für Europa wird der Digital Services Act die Internetgesetzgebung auf ein völlig neues Fundament stellen", erklärte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken.
"Ein großer Erfolg, mit Unterstützung von links bis rechts", twitterte der niederländische Abgeordnete Paul Tang.
Mehr Transparenz für Nutzerinnen und Nutzer
Das Gesetz sieht unter anderem neue Vorschriften gegen illegale Produkte, Dienstleistungen und Inhalte im Internet vor. Die Entfernung illegaler Inhalte auf Online-Plattformen soll durch ein Meldeverfahren verbessert und beschleunigt werden. Dabei soll aber auch die Meinungsfreiheit geschützt werden: Nutzerinnen und Nutzer müssen über eine Löschung ihrer Inhalte informiert werden und sollen dies auch anfechten können.
Mit den neuen Bestimmungen sollen nach dem Willen des EU-Parlaments auch solche Inhalte bekämpft werden, die schädlich, aber "nicht zwangsläufig auch illegal sind" - was etwa auf Falschnachrichten zutreffen kann. Große Plattformen sollen dazu etwa verpflichtet werden, die Funktionsweise ihrer Algorithmen offenzulegen, die darüber entscheiden, welche Nachrichten, Videos oder Produkte den Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden.
Besonders strenge Regeln für große Plattformen
Mit dem DSA sollen auch die derzeit geltenden Regeln der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 aktualisiert werden. Gelten sollen die neuen Regeln für zahlreiche Anbieter wie Social-Media-Plattformen und Online-Marktplätze. Die Vorgaben für die Online-Unternehmen sollen sich dabei je nach Rolle, Größe und Reichweite unterscheiden. Für sehr große Plattformen sollen besonders strenge Regeln gelten.
Außerdem sollen große Plattformen wie Amazon, Apple, Google und Facebook ihren Nutzern künftig mehr Einfluss dabei einräumen, welche Werbeanzeigen ihnen angezeigt werden. Bei Verstößen drohen den Unternehmen Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Aus Verbrauchersicht erfreulich sei auch, dass es laut Parlamentsposition nicht mehr länger dauern darf, Cookies abzulehnen als ihnen zuzustimmen.
Auf Betreiben von Grünen, Sozialdemokraten und Linken spricht sich das EU-Parlament außerdem dafür aus, im Rahmen des Gesetzes personalisierte Werbung auf Basis persönlichster Daten wie sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft oder politischer Meinung ganz zu verbieten. Die Konservativen wollten dies weiter zulassen. "Das ist ein bahnbrechender Erfolg", sagte die Grünen-Abgeordnete Alexandra Geese. Damit komme wahrscheinlich zum ersten Mal ein klares Verbot für Plattformen, Nutzerprofile anhand sensibelster Daten zu erstellen und darauf aufbauend Werbung zu platzieren.
EU hofft auf Inkrafttreten des DSA in 2023
Der DSA gehört zu einem Reformpaket der EU-Kommission zur Eindämmung der Marktmacht von Internet-Giganten. Über ein weiteres Vorhaben, das Gesetz über digitale Märkte, hatte das EU-Parlament bereits im Dezember abgestimmt: Der Digital Markets Act (DMA). Dieser soll wettbewerbsschädliches Verhalten der großen Internet-Unternehmen unterbinden. Apple könnte etwa dazu gezwungen werden, auf seinen iPhones Apps der Konkurrenz zuzulassen. Google und Amazon soll untersagt werden, eigene Dienste in ihren Suchergebnissen zu bevorzugen.
Nach der heutigen Abstimmung können die Gespräche zwischen Parlament, Rat und Kommission starten. Mitte Dezember hatte bereits der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments seine Position zum DSA verabschiedet. Der nun vom Plenum verabschiedete Text legt die Position des EU-Parlaments für die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission fest, die unter französischer Ratspräsidentschaft noch im ersten Halbjahr 2022 beginnen sollen. Die EU hofft auf ein Inkrafttreten im Jahr 2023.
Buschmann: Meinungsfreiheit im Netz weiterhin gewährleisten
Bundesjustizminister Marco Buschmann begrüßte die Abstimmung im EU-Parlament als "wichtigen Schritt" auf dem Weg zu einem europäischen Rechtsrahmen für Online-Plattformen. Wichtig sei dabei aber, auch im digitalen Raum Meinungsfreiheit zu gewährleisten, sagte der FDP-Politiker. "Die Plattformen dürfen Beiträge nicht willkürlich löschen", hob Buschmann hervor.
Der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Reinhard Brandl, begrüßte insbesondere die geplante Stärkung des digitalen Verbraucherschutzes, etwa durch die geforderte Transparenz bei Algorithmen.
Der Digitalverband Bitkom erklärte, das neue Gesetz sei "gut und richtig", um Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor "illegalen oder gefährlichen Inhalten im Netz zu schützen". Wichtig sei aber ein "differenzierter Ansatz, der die Vielfalt an Inhalten und Diensten berücksichtigt".
Dagegen warnte der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) vor drohender Rechtsunsicherheit für Unternehmen etwa beim Datenschutz.