Fachkräftemangel Zwei Millionen Stellen unbesetzt
Fehlende Fachkräfte sind ein immer akuteres Problem für die deutsche Wirtschaft. Mehr als die Hälfte der Unternehmen kann nicht alle offenen Stellen besetzen, wie aus einer DIHK-Umfrage hervorgeht.
Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen hat Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Das geht aus einer Umfrage unter fast 22.000 Betrieben hervor, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) heute veröffentlichte. "Wir gehen davon aus, dass in Deutschland rund zwei Millionen Arbeitsplätze vakant bleiben", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks in Berlin. "Das entspricht einem entgangenen Wertschöpfungspotenzial von fast 100 Milliarden Euro."
"Eine gefährliche Mischung"
Der Fachkräftemangel bleibt damit eines der größten Probleme für die deutsche Wirtschaft. Die Herausforderungen bei der Stellenbesetzung hätten sich im Vorjahresvergleich noch einmal verschärft, obwohl die Betriebe vielfach ein wirtschaftlich schwieriges Jahr erwartet und ihre Personalplanung heruntergeschraubt hätten, hieß es vom DIHK. 53 Prozent der Firmen gaben im Rahmen des Fachkräftereports an, von Personalengpässen betroffen zu sein - nach 51 Prozent im Vorjahr.
Noch nie hatten so viele Unternehmen Komplikationen beim Anwerben neuer Mitarbeiter. Die Situation sei zwar relativ stabil auf dem Arbeitsmarkt, trotz Corona-Pandemie und Energiekrise. "Unter der Oberfläche braut sich aber seit geraumer Zeit eine gefährliche Mischung zusammen", so Dercks. Das belaste nicht nur einzelne Unternehmen, sondern bremse auch den Ausbau der Infrastruktur, die Energiewende und die Digitalisierung.
Besonders schwerwiegend sind die Probleme mit einem Anteil von 67 Prozent bei Herstellern elektrischer Ausrüstungen. Im Maschinenbau sind es ebenso viele, im Fahrzeugbau 65 Prozent. Bei Gesundheits- und Sozialdienstleistern klagen sogar 71 Prozent über Schwierigkeiten. Auffällig ist auch die Not der Logistikbranche. "Das Fehlen von Fahrern bei den Logistikbetrieben erschwert zunehmend die pünktliche Belieferung mit Endprodukten im Handel, aber auch mit Rohstoffen und Vorleistungen in der Industrie", sagte Dercks. Im Gastgewerbe führten Personalengpässe zu einem eingeschränkten Angebot und reduzierten Öffnungszeiten.
Weniger Bürokratie, mehr Einwanderung
Um die Situation zu verbessern, fordert die Unternehmen dem DIHK zufolge vor allem einen Abbau von Bürokratie, den sich 52 Prozent wünschen. So könnte mehr Personal für die eigentlichen Aufgaben der Firmen eingesetzt werden. Zudem solle berufliche Bildung gestärkt werden. Die stärkere Qualifizierung von Arbeitslosen wird ebenfalls als Ausweg gesehen.
Dringend nötig seien auch weitere Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Erwerbsbeteiligung Älterer, so der DIHK. So hat etwa der Ärzteverband Virchowbund jüngst alle Arztpraxen dazu aufgerufen, den Praxisbetrieb auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Neben wirtschaftlichen Erwägungen sei es auch ein "Zeichen gegen die immer stärker ausufernde Bürokratie in den Arztpraxen und als Mittel gegen den Fachkräftemangel".
35 Prozent der Betriebe erhoffen sich darüber hinaus Fortschritte durch eine erleichterte Einstellung ausländischer Fachkräfte, wie der DIHK mitteilte. Schätzungen zufolge sind jedes Jahr 400.000 Zuwanderer im Saldo nötig, um die Lücke am deutschen Arbeitsmarkt zu schließen. Denn diese Lücke ist groß: Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) könnte der deutsche Arbeitsmarkt bis 2035 um bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte schrumpfen, wenn nicht gehandelt werde.