Homeoffice-Pflicht endet Die Zukunft wird hybrid
Eine Umfrage unter DAX-Konzernen zeigt, dass die traditionelle Fünf-Tage-Woche im Büro auch nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht vorerst nicht wiederkommen wird. In Zukunft gilt bei vielen eher ein Hybridmodell.
Auch nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht werden viele Büroarbeitsplätze leer bleiben - vorerst zumindest. Denn viele Beschäftigte werden weiter von zu Hause aus arbeiten. Die meisten Unternehmen zeigen dafür Verständnis. Auf Präsenz völlig verzichten wollen die Arbeitgeber aber auch nicht. Eine Umfrage von tagesschau.de unter zehn DAX-Unternehmen zeigt, dass in Zukunft flexible und hybride Arbeitsmodelle, also eine Kombination aus Homeoffice und Anwesenheitszeiten im Büro, das Arbeitsleben bestimmen werden.
"Es gibt kein Zurück in die alte Welt. Die Zukunft unserer Arbeit ist hybrid. Wir wollen die Vorzüge des Büros und die des mobilen Arbeitens bestmöglich miteinander verbinden. Auch erwarten wir, dass wir weniger reisen und im Sinne des neuen Arbeitens noch agiler zusammenarbeiten", antwortet die Deutsche Telekom auf die Frage wie sie sich die Arbeitswelt nach dem Ende der Pandemie bedingten Restriktionen vorstellt. Auch der Waschmittelkonzern Henkel plädiert für ein "flexibles Arbeitsmodell, das auf einer Balance von mobilem Arbeiten und Präsenz am Arbeitsplatz beruht".
Zwei Tage pro Woche zu Hause arbeiten
Tatsächlich sprechen sich die meisten von tagesschau.de befragten DAX-Unternehmen für ein solches Hybridmodell aus. So will die Deutsche Bank ihren Angestellten künftig ermöglichen, auf freiwilliger Basis zwei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten, wie Bankchef Christian Sewing und Personalchef Michael Ilgner in einem internen Memo erklären. Allerdings soll das Büro immer die erste Option bleiben. Mit dem neuen Modell wolle man das richtige Gleichgewicht zwischen dem Arbeiten im Unternehmen und von zu Hause aus finden.
Noch flexibler präsentiert sich der Chemiekonzern BASF. "Ob und wie mobil gearbeitet werden kann, besprechen Mitarbeiter und Führungskraft unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten. Das umfasst auch den Umfang der Tage, die Mitarbeitende im Werk sein werden", schreibt das Unternehmen auf Anfrage von tagesschau.de. Ein starres Regelwerk soll es nicht geben, denn nicht alle Tätigkeiten in der BASF eignen sich für mobiles Arbeiten. So weist das Unternehmen darauf hin, dass ein Versuch im Labor oder das Betreiben und die Reparatur einer Anlage sich nicht virtuell von daheim erledigen lassen.
Präsenz fördert Innovation und Kreativität
Bei BMW sollen die Beschäftigten nach der Pandemie ebenfalls "die Möglichkeiten der Digitalisierung, des mobilen Arbeitens von zuhause oder von unterwegs nutzen", ohne auf den persönlichen Austausch und die Begegnung am Arbeitsplatz vor Ort zu verzichten. Eine einheitliche Regelung für eine solche Hybridlösung könne es wegen der unterschiedlichen Arbeitsbereiche aber nicht geben. Bei Volkswagen macht man sich offenbar weniger Gedanken über das künftige Arbeitsmodell. Bis auf Weiteres gelte "die maximale Nutzung der mobilen Arbeit", so der Konzern. Rund 55.000 Beschäftigte nutzen diese Regel in der Spitze.
Völlig ohne Präsenz in den Büros geht es aber auch nicht. Einer Studie des Fraunhofer Instituts zufolge hat sich bei vielen Mitarbeitern, die seit über einem Jahr im Homeoffice arbeiten, Ernüchterung breit gemacht: Sie fühlen sich nicht mehr so kreativ und weniger gut informiert wie zu den Zeiten der Arbeit in den Räumen des Unternehmens.
Diese Sorge teilen auch viele Arbeitgeber. So betont der Versicherungskonzern Allianz wie wichtig die Arbeit vor Ort bleibt. "Wir sind überzeugt, dass sich Innovationen, die Kreativität der Teams und ein Wir-Gefühl am stärksten vor Ort entfalten. Unser Ziel muss es sein, das Beste aus beiden Welten - dem mobilen Arbeiten und der Bürowelt der Allianz - miteinander zu verbinden", so das Unternehmen auf Anfrage von tagesschau.de.
Auch Henkel ist überzeugt, dass neben der mobilen Arbeit, "der Arbeitsplatz vor Ort auch nach der Pandemie eine wichtige Rolle spielen wird, als Ort der Inspiration, Kreativität, Innovation, Begegnung und Zusammenarbeit. Und als Ort, an dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kultur von Henkel erfahren können/erleben."
Firmen schaffen mehr Begegnungsflächen
Um die Mitarbeiter aus dem Homeoffice zu locken, wollen die Firmen Büros umgestalten. "Wir werden Büroflächen reduzieren und als Orte der Begegnung für den Austausch und zur Förderung der Kreativität umgestalten", heißt es von der Telekom. Auch die anderen DAX-Konzerne wollen ihre Standorte modernisieren und neue Begegnungsräume schaffen. Selbst die in Sachen Öffentlichkeitsarbeit eher zurückhaltende Münchener Rück hat nach eigenen Angaben ein internes Projekt gestartet, in dem über "neue Wege der Zusammenarbeit" nachgedacht werde. "Dazu gehören auch eventuelle Umbaumaßnahmen."
Wieviele ihrer Beschäftigten im Herbst wieder im Büro arbeiten werden oder vielleicht sogar wieder zurück ins Homeoffice müssen, können die Unternehmen derzeit nicht absehen. Dies hänge vom Infektionsgeschehen ab und könne jetzt nicht vorhergesehen werden, erklärt die Münchener Rück. Auch wollen die Unternehmen im Sommer die Erfahrungen aus der Pandemie auswerten und prüfen wie hybrides Arbeiten in der Praxis aussehen kann.
Ausnahme SAP
Von derlei Überlegungen will der Softwareriese SAP nichts wissen. Das Unternehmen stellt es seinen Beschäftigten künftig komplett frei, wann sie von zu Hause, von unterwegs oder im Büro arbeiten. "Wir wollen unseren Mitarbeitern die Wahl lassen", sagte Vorstandsmitglied Julia White. In einer bereits Mitte Juni an die rund 100.000 Mitarbeiter verschickte Mail versprach der Vorstand einen zu "100 Prozent flexiblen und vertrauensbasierten Arbeitsplatz als Norm, nicht als Ausnahme". In einer Mitarbeiterumfrage hätten sich 94 Prozent der Beschäftigten für diesen Weg ausgesprochen, so der Vorstand. White sieht in der Flexibilisierung der Arbeit auch eine Geschäftschance. Sollten Kunden nachziehen wollen, habe SAP die "Technologie, um ihnen zu helfen".
Das Bundesarbeitsministerium will derweil die Arbeitsschutzverordnung anpassen. Danach sollen die Flächen-, Abstand- und Maskenvorgaben für den Arbeitsplatz angepasst und verlängert werden. Die Verpflichtung der Firmen, ihren Mitarbeitern in Betrieben zweimal wöchentlich einen Corona-Test anzubieten, soll zunächst bestehen bleiben.