Spatenstich in Dresden Startschuss für Infineons Milliardenprojekt
In Dresden baut Infineon ein hochmodernes Halbleiterwerk. Es soll dazu dienen, Europas Abhängigkeit von anfälligen globalen Lieferketten zu reduzieren. Aber es gibt auch Kritik.
Der Chipkonzern Infineon beginnt heute mit dem Ausbau seines Werkes für Halbleiter in Dresden. Die sogenannte Smart Power Fab soll 2026 vollendet sein und wird in der Fläche mehr als vier Fußballfelder groß. Im Herbst 2026 sollen schließlich die ersten Chips die Anlage verlassen. Infineon will hier fünf Milliarden Euro in die Erweiterung der Halbleiterproduktion stecken und etwa 1000 neue Jobs schaffen.
Es ist Konzernangaben zufolge die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte und soll Dresden zu einem der führenden Halbleiterstandorte in Europa machen. Bei voller Auslastung ermögliche die Fabrik, zusätzliche jährliche Umsätze in der Größenordnung des Investitionsvolumens zu erzielen, heißt es in einer Mitteilung. Das entspräche also den Kosten von fünf Milliarden Euro.
Dresden ist bereits jetzt einer der größten Standorte für Fertigung und Entwicklung von Infineon. Dort arbeiten derzeit rund 3250 Menschen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen weltweit 56.200 Mitarbeitende.
"Strukturell wachsender Halbleiterbedarf"
Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender von Infineon, sieht einen strukturell wachsenden Halbleiterbedarf, etwa für Erneuerbare Energien, Rechenzentren und Elektromobilität. "Mit dem Bau der 300 mm Smart Power Fab in Dresden schaffen wir die notwendigen Voraussetzungen, um die steigende Nachfrage nach Halbleiterlösungen bedienen zu können", hatte Hanebeck bereits im Februar erklärt.
Die dort hergestellten Komponenten sollen Infineon zufolge die Dekarbonisierung und Digitalisierung befördern und in Systemen zur energieeffizienten Stromversorgung zum Einsatz kommen, etwa in Ladegeräten, in kleinen Motorsteuerungen für das Auto, in Rechenzentren und in Anwendungen im Internet der Dinge.
Im Einklang mit dem European Chips Act
Die staatlich geförderte Investition hat einen geostrategischen Hintergrund und soll vor allem dazu beitragen, Europa fortan weniger abhängig von Halbleitern aus den USA und insbesondere aus Asien zu machen. Deshalb steht das Engagement von Infineon im Einklang mit dem europäischen Chips Act. Mit einem Volumen von insgesamt 43 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen soll der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa bis 2030 auf 20 Prozent verdoppelt werden.
Mikrochips seien für zentrale industrielle Wertschöpfungsketten von strategischer Bedeutung, heißt es dazu auf dem Internet-Auftritt der EU-Kommission. In der Vergangenheit kam es beispielsweise während der Corona-Pandemie zu einem Chipmangel, der Politik und Industrie für die Anfälligkeit der Lieferketten sensibilisiert hatte.
Die Autoindustrie etwa kämpfte nicht zuletzt wegen fehlender Chips mit massiven Produktionsausfällen, der Pkw-Absatz sank in Europa trotz hoher Nachfrage auf den tiefsten Stand seit knapp 30 Jahren.
Förderung stößt auf Kritik
Die Unternehmen versuchen jetzt, sich staatliche Förderungen für ihre Projekte und Fabriken zu sichern. Auch das neue Werk in Dresden wird mit öffentlichen Mitteln gefördert. Infineon strebt eigenen Angaben zufolge einen staatlichen Zuschuss von rund einer Milliarde Euro an. Diese Förderung stößt aber auch auf Kritik. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hatte die Milliarden-Förderungen von Chipfabriken in Ostdeutschland kritisiert: "Wir werfen das Geld zum Fenster raus", sagte IWH-Präsident Reint Gropp der "Süddeutschen Zeitung" in einem am Sonntag verbreiteten Interview. "Das Geld sollten wir besser woanders reinstecken."
Der US-Chiphersteller Intel plant dagegen ein Chipwerk in Magdeburg und will dabei ebenfalls von staatlichen Subventionen profitieren. Dabei drang er Medienberichten zufolge auf eine deutlich höhere staatliche Förderung. Intel benötige statt der zugesagten 6,8 Milliarden Euro nun zehn Milliarden Euro, hieß es.
Unlängst hatte die "Financial Times" berichtet, die Bundesregierung fordere von dem US-Konzern, seine Investitionspläne im Umfang von 17 Milliarden Euro im Austausch für höhere Subventionen auszuweiten.
Feierliche Zeremonie
An der Zeremonie zum symbolischen Spatenstich am Nachmittag in Dresden nahm neben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil. Dabei haben die Bauarbeiten längst begonnen, denn das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte bereits die Genehmigung für einen vorzeitigen Projektbeginn erteilt.
Für Infineon ist es eine ereignisreiche Woche: An diesem Donnerstag wird der Konzern auch die Zahlen des zweiten Quartals präsentieren. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres hatte der Chiphersteller einen Umsatzrückgang von 4,14 Milliarden Euro auf 3,95 Milliarden Euro vermeldet. Unter dem Strich blieben 728 Millionen Euro hängen. Im September 2022 abgelaufenen Geschäftsjahr erzielte Infineon einen Umsatz von rund 14,2 Milliarden Euro.