Einweg besser als Mehrweg? Großer Streit über LIDL-Kampagne mit Günther Jauch
LIDL hat sich für eine neue Kampagne prominente Unterstützung geholt. Günther Jauch bewirbt eine Einwegflasche als umweltfreundlich. Doch dass sie tatsächlich so ökologisch ist, bezweifeln Experten.
Die Deutschen vertrauen Günther Jauch - mehr als anderen Prominenten. Kein Wunder also, dass LIDL ihn als Werbegesicht für eine neue Umweltkampagne engagiert hat: "Ist das nicht ein richtig gutes System für die Umwelt? Kein Neuplastik. Viel weniger CO2-Verbrauch beim Transport. Weniger Müll", sagt er im aktuellen Werbevideo für die "Kreislaufflasche".
Doch der neue Werbespot stößt auf Kritik: Viola Wohlgemuth von Greenpeace findet es "armselig", dass Günther Jauch sich für dergleichen hergibt. "LIDL investiert nicht, weil der Konzern nachhaltig sein will. Es geht hier schlicht und ergreifend um Profit", sagt sie.
Das streitet Wolf Tiedemann, Mitglied im LIDL-Vorstand, gar nicht ab. Allerdings sei das neue LIDL-System trotzdem auch richtig gut für die Umwelt: "Mit der Kreislaufflasche haben wir ein System etabliert, das nachgewiesen eins der ökologischsten ist, das es auf dem Markt gibt. Da scheuen wir auch keinen Vergleich".
Der alte Streit: Einweg vs. Mehrweg
Was LIDL behauptet, würde die Recyclingwelt auf den Kopf stellen. Denn bislang war immer klar: Die Ökobilanz des Mehrweg-Systems ist deutlich besser. Mehrwegpfandflaschen aus Plastik können bis zu 25-Mal befüllt werden, Glasflaschen sogar bis zu 50 Mal. Einwegpfandflaschen dagegen, werden, wie der Name schon sagt, nur einmal genutzt.
Diesem System sagt LIDL den Kampf an und kann direkt ein großes Plus verzeichnen: Nach der Rückgabe an einem LIDL-Pfandautomaten werden die Flaschen für den Transport klein gepresst. "Auf einen LKW passen so rund 400.000 Flaschen. Für Mehrweg müssten sie dafür 26 LKWs benutzen!", sagt Vorstand Tiedemann. Außerdem sei der Kreislauf nahezu geschlossen, Plastikverluste gäbe es kaum. Auch, weil in Deutschland Studien zufolge 98,5 Prozent der Einweg-Pfandflaschen zurückgegeben werden.
Eine Klima-Revolution aus Plastik?
Vor allem Umweltorganisationen wie Greenpeace sehen die Kampagne von LIDL dennoch kritisch. "Wir wollen keine Optimierung des Einweg-Systems, sondern grundsätzlich weg vom Plastik", sagt Aktivistin Wohlgemuth: "Was hier passiert, ist, als würde man einen dreckigen Pullover nicht waschen, sondern aufribbeln und am Ende aus der Wolle wieder einen neuen Pullover stricken. Das ist nicht nachhaltig. Nachhaltig ist Mehrweg, und eine Plastikflasche wird das niemals sein!"
Doch, sagt LIDL. Um das auch belegen zu können, hat man eine Studie beim Institut für Energie- und Umweltforschung in Auftrag gegeben, das unter anderem auch das Bundesumweltministerium berät. Das Ergebnis: Die Kreislaufflasche von LIDL spart mindestens 20 Prozent CO2 gegenüber den untersuchten PET-Mehrwegflaschen ein. Verglichen mit marktüblichen Glas-Mehrwegflaschen wird der CO2-Ausstoß sogar fast halbiert.
Auch Professor Sebastian Klaus von der Berliner Hochschule für Technik hat sich das LIDL-System genau angeschaut: "Früher waren die Mehrwegsysteme klar besser. Mit den neuen Recyclingprozessen hat Einweg stark aufgeholt und die Mehrwegsystem teilweise auch überholt. Darum kann man heute keine pauschale Aussage mehr darüber treffen, ob Mehrweg besser ist oder Einweg."
Warum lässt LIDL sich das so viel kosten?
LIDL sagt, man habe 100 Millionen Euro in dieses System investiert, alles "aus Liebe zur Natur", wie es in der Werbung heißt. "LIDL versucht, mit diesem Greenwashing, mit dieser in Auftrag gegebenen Studie und mit Günther Jauch einfach eine neue Gesetzgebung zu verhindern oder zu blockieren. Es soll ein neues Verpackungsgesetz kommen, dss zu weniger Plastikmüll führt und zu wirklichem Mehrweg", behauptet Greenpeace-Aktivistin Wohlgemuth.
Tatsächlich hat die Europäische Union einen Plan für eine Mehrwegpflicht für den Handel vorgelegt. Diese Pflicht würde bedeuten, dass auch Discounter wie LIDL in Zukunft Mehrwegsysteme anbieten müssten. Das wäre teuer und personalintensiv. LIDL-Vorstand Tiedemann streitet aber ab, dass die aktuelle Kampagne eine Reaktion auf die EU-Mehrwegpläne ist: "Unsere Kampagne für die Kreislaufflasche richtet sich an Deutschland, weil wir gerade auch hier in Deutschland eine Diskussion darüber haben, was das ökologischere System ist."
Übrigens: Wem die Natur am Herzen liegt, der sollte einfach zum Leitungswasser greifen. Das ist in Deutschland nämlich bedenkenlos trinkbar und wird ohne Verpackung direkt ins Haus geliefert.