Vor einem Laden in der Innenstadt von Tübingen hängt eine Hinweisschild mit dem die Kunden aufgefordert werden, im Laden auch weiterhin Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
Reportage

Ende der Maskenpflicht Sorge im Supermarkt 

Stand: 04.04.2022 17:10 Uhr

In den meisten Bundesländern können Kunden wieder ohne Maske einkaufen. Wegen weiter hohen Corona-Zahlen gibt es unter Beschäftigten in Supermärkten die Sorge vor Ansteckung. Handelsketten setzen auf Freiwilligkeit.

Von Johanna Wahl, SWR Mainz

Der Kunde ohne Maske sticht aus der Schlange an der Supermarkt-Kasse regelrecht hervor. Denn die ganz große Mehrheit im Edeka-Markt, nicht weit von der Mainzer Universität entfernt, trägt am diesem Montagmorgen Maske. Und das obwohl die Maskenpflicht nun weggefallen ist.

"Ich lasse mir das Masketragen nicht verbieten", sagt die Kundin Marlene Piepgras. Für sie ist das eine Frage der Rücksichtnahme. Genauso sieht es Franina Sollbach. "Ich habe als Lehrerin täglich mit vielen Kindern zu tun und meine zwei eigenen kleinen Kinder sind unter fünf Jahre und daher noch nicht geimpft." 

Sabine Schwalbe ist froh über Kundinnen mit dieser Einstellung. Das  Ende der Maskenpflicht verursacht bei der Kassiererin in Mainz ein mulmiges Gefühl. "Hier ist oft enger Kundenkontakt, manche niesen und husten." Auch wenn sie geimpft sei, möchte sie sich kein Corona einfangen. "Man weiß ja schließlich nicht, ob man einen schweren oder leichten Verlauf bekommt."  

Marktinhaber sieht Entscheidung kritisch

Rainer Grennrich, der Inhaber des Markts, kann nicht nachvollziehen, dass die Maskenpflicht für Supermärkte trotz der hohen Coronainfektionszahlen wegfällt. Für den Geschäftsmann kommt das deutlich zu früh. "Wir wissen ja nicht, wer da kommt. Geimpfte, Ungeimpfte oder Infizierte?" Im öffentlichen Nahverkehr bestehe die Maskenpflicht doch auch weiter, so Grennrich.

Wegen der Sorge vor möglicher Ansteckung sei die Anspannung gerade unter seinen älteren Mitarbeiterinnen groß, berichtet Grennrich. "Wir wissen nicht, wie viele Kunden ohne Maske von nun an kommen?" Er und sein Team würden auch weiterhin Maske tragen. "Hier verkehren am Tag zwischen 800 und 900 Kunden und im Kassenbereich bilden sich oft Schlangen. Da werden nicht immer die Abstände eingehalten."

Hoffnung auf freiwilliges Masketragen

Grennrich hofft, dass seine Kunden nun freiwillig Maske tragen. Mit zwei großen Aufstellern am Eingang des Supermarkts richtet sich der Inhaber an seine Kunden. "Wir bitten auch Sie, zum Schutz uns Mitarbeitern gegenüber eine Maske im Laden aufzusetzen."  

Kein Personal für Kontrollen

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht das Ende der Maskenpflicht zum jetzigen Zeitpunkt kritisch. Das Tragen von Masken sei eine einfache Schutzmaßnahme und mache vor allem bei hohen Infektionszahlen als Vorbeugung nach wie vor Sinn, so ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger: "Die Beschäftigten machen sich verständlichweise Sorgen, wie sie gesund bleiben können, wenn Kundinnen und Kunden ohne Masken ins Geschäft kommen." 

In den Supermarkt in der Nähe der Mainzer Universität kommen heute vereinzelt auch Kunden, die ohne Maske einkaufen. "Ich wünsche mir die Normalität zurück", begründet Leon Eick, warum er keine Maske trägt. "Da ist mir aktuell die psychische Gesundheit wichtiger als die physische." Außerdem sei er relativ frisch genesen, erzählt der junge Mann.

Eine Rentnerin am Konservenregal trägt die OP-Maske unterm Kinn. "Ich kann so leichter atmen. Angst, mich anzustecken habe ich keine. Ich bin dreimal geimpft." Ein anderer Kunde gibt sich sehr verwundert, dass er aktuell der einzige ohne Maske in der Kassenschlange ist. "Der Gesetzgeber wird sich doch etwas bei der Entscheidung gedacht haben, die Maskenpflicht auslaufen zu lassen."  

Hausrecht nicht angewandt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte ins Spiel gebracht, dass unter anderem der Lebensmitteleinzelhandel über sein Hausrecht eine Maskenpflicht vorschreibt. Das kommt für Supermarkt-Inhaber Grennrich nicht in Frage. "Wie sollten wir das denn jetzt noch kontrollieren? Und das kostet Zeit und Personal."

Die Handelskette Edeka kritisiert: "Leider hat der Gesetzgeber mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes entschieden, dass die Pflicht zum Tragen von Masken nur noch in Ausnahmefällen und in besonderen Hotspots angeordnet werden kann." Man könne daher nun nicht erwarten, dass der Konzern mithilfe des Hausrechts weiterhin eine Maskenpflicht durchsetze. Das Unternehmen appelliere an seine Kundinnen und Kunden, weiter freiwillig Maske zu tragen. 

"Corona ist noch nicht vorbei"

So sieht es auch der Handelsverband HDE: "Nicht nachvollziehbar ist, dass der Handel nach Auffassung des Bundesgesundheitsministers als Gesetzgeber einspringen und die Maskenpflicht im Rahmen des Hausrechts durchsetzen soll", sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Die Pflicht zum Tragen einer Maske zunächst mit der neuen Rechtslage auslaufen zu lassen und anschließend die Unternehmen in die Rolle des Ersatz-Gesetzgebers zu ziehen, ist absurd." 

Supermarkt-Mitarbeiterin Sabine Schwalbe findet es zwar ärgerlich, wenn Kunden keine Maske mehr tragen, darauf ansprechen wird sie sie aber nicht. "Das steht mir nicht zu." Inhaber Grennrich freut sich erst einmal, dass die große Mehrheit auch heute in seinem Markt Maske trägt.

Hinweis wird befolgt

Viele haben auch ihre eigene Gesundheit im Blick - so wie das Ehepaar Gerda und Wolfgang Nelke. "Corona ist noch nicht vorbei." Für die beiden Rentner bleibt das Masketragen beim Einkauf auch nach Ende der Maskenpflicht eine Selbstverständlichkeit.

Ganz anders sieht es Moritz Witthöft. Der Studierende hatte sich eigentlich gefreut, von heute an endlich wieder ohne Masken einkaufen zu gehen. Er möchte seinen Mitmenschen wieder ins Gesicht schauen können. Aber Witthöft trägt am Montagmorgen dann doch Maske im Supermarkt - allerdings nur aus Rücksicht auf die Mitarbeiter. Ohne das Hinweisschild im Eingangsbereich, sagt er uns, hätte er die Maske heute nicht mehr aufgesetzt.