
Verteidigungsausgaben Wie ein Mittelständler den Rüstungsboom erlebt
Auch bei der schleswig-holsteinischen Rüstungsfirma Vincorion steigt die Nachfrage rasant. Dort wünscht man sich mehr Tempo beim Beschaffungswesen und eine größere Planungssicherheit.
Marko Schomaker schraubt das Getriebe für einen Schützenpanzer "Puma" zusammen. Die Komponenten sind wichtig, damit der Antrieb den Turm drehen kann - und die Waffe auf dem Panzer stabil bleibt, auch wenn der seine Fahrtrichtung ändert. Der Mechaniker produziert mehrere Baugruppen, nicht nur für den "Puma", sondern auch für den "Leopard" oder die "Panzerhaubitze 2000". "Das wird nicht alles nur zusammengesteckt, da muss man feinfühlig mit der Baugruppe umgehen, damit alles passt“, erzählt Schomaker.
Der 49-Jährige arbeitet für das mittelständische Rüstungsunternehmen Vincorion. Der Betrieb liefert Komponenten für alle großen Panzer, aber auch für die Luftverteidigung und Energieversorgungssysteme. Schomaker ist schon seit 19 Jahren bei dem Unternehmen in Wedel tätig. Aktuell kämen viele neue Kollegen, zum Beispiel aus der Autoindustrie zu ihnen in die Rüstung. 900 Mitarbeiter zählt der Betrieb, der auch Standorte in Altenstadt und Essen hat.
Bewerberzahlen haben sich verdoppelt
Die Bewerberzahlen haben sich von 3.000 im Jahr 2023 auf 6.000 im Jahr 2024 verdoppelt. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres habe das Unternehmen bereits über 2.000 Bewerbungen erhalten. "Ich freue mich, dass die Bücher voll sind, viele neue Kollegen dazukommen und wir die hohe Stückzahl fertigen können“, so Schomaker.
Einer von Ihnen ist Norman Schultz. Er ist seit etwas über einem Jahr bei Vincorion beschäftigt. Der 24-Jährige hat seine Ausbildung bei der Bundeswehr gemacht. Jetzt bildet er sich zum Techniker in Elektrotechnik fort. "Es ist nun einmal so, dass wir jetzt in solchen Zeiten leben, dass sowas leider nun nötig ist. Dementsprechend braucht man da prinzipiell jeden, der sich dafür begeistern kann. Meine Freunde haben inzwischen Verständnis dafür - ich habe zwar noch nicht alle überzeugt bekommen, aber sie stehen dem auf jeden Fall nicht mehr negativ gegenüber“, erzählt er.

Mehrere Menschen arbeiten in der Produktionshalle von Vincorion.
Produktion wird umgestellt auf Serienfertigung
Immer mehr Schritte der Produktion sollen in Zukunft in Serienfertigung erfolgen. Vom Manufakturbetrieb zur industriellen Fertigung. Die Halle 2 in der Norman Schultz und Marko Schomaker arbeiten, soll in einem Jahr ganz anders aussehen - mehr Fachkräfte, neue Fertigungsstraßen. Das Wedeler Unternehmen Vincorion wächst rasant. Der Umsatz hat 2024 die 200-Millionen-Euro-Marke erreicht.
"Die Nachfrage ist über uns hereingebrochen wie ein Tsunami“, sagt Sascha Brüning, Leiter Business Development and Sales. Früher habe es einen Großauftrag in vier Jahren gegeben, heute gebe es vier Großaufträge in einem Jahr. Das schnelle Wachstum stellt das Unternehmen aber auch vor Herausforderungen: "Wir müssen in naher Zukunft Investitionen in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag tätigen", erläutert Brüning. "Und daher kommt immer der Appell, eine gewisse Planungssicherheit haben zu müssen.“
"Können uns keine langwierigen Verfahren mehr leisten“
Diese Forderung unterstützt auch Geschäftsführer Kajetan von Mentzingen. Verteidigungsfähigkeit sei keine kurzfristige Aufgabe, sondern erfordert strategisches Denken über Jahrzehnte. Von der künftigen Bundesregierung erwartet das Unternehmen vor allem mehr Tempo: "Die Beschaffungsprozesse müssen grundlegend vereinfacht werden. Wir können uns keine langwierigen Verfahren mehr leisten, während die sicherheitspolitischen Herausforderungen täglich wachsen."
Konkret wünscht sich der Vincorion-Chef Direktvergaben bei kleineren Aufträgen. Das Unternehmen beliefert hauptsächlich die Bundeswehr, aber auch andere NATO-Länder und Staaten wie Südkorea. Die Ausweitung der Produktion sei in vollem Gange. Und auch das Image der Rüstungsbranche selbst habe sich verbessert. Der 24-jährige Norman Schultz sieht dort seine Zukunft. "Um auch meinen Teil dafür zu leisten, Deutschland sicherer zu machen und dafür zu sorgen, dass niemand auf die Idee kommt, einen NATO-Staat oder Deutschland selber anzugreifen - weil wir Material haben, um dem etwas entgegen zu setzen."